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“Den armen Seelen helfen” – Die Paderborner Jesuitenmission in China

Im Stadtzentrum Paderborns befindet sich die Marktkirche, die ehemalige Jesuitenkirche Sankt Franz Xaver. Doch wer war Franz Xaver und warum wurde die Paderborner Marktkirche nach ihm benannt? Wie beeinflusste sein Leben die Arbeit und das Leben der Jesuiten in Paderborn, und was hat er mit Mission und – aus heutiger Sicht – ggf. mit Kolonialismus zu tun?

Die Nordseite der Paderborner Marktkirche St. Franz Xaver. Foto: Eduard Seng

Der Jesuit Franz Xaver begann im Jahr 1541 seine Reise nach Indien im Auftrag des portugiesischen Königs Johann III., welchen Papst Paul III. um Missionare für die ostindischen Besitzungen Portugals gebeten hatte. In Indien gab es im 16. Jahrhundert verschiedene europäische Niederlassungen, aber auch von Einheimischen regierte Territorien, darunter das islamisch geprägte Mogulreich, welches sich vom 16. bis ins 19. Jahrhundert über große Teile Indiens erstreckte. Franz Xaver war der erste Missionar der „Societas Jesu“, des Jesuitenordens, der nach Indien reiste. Aber der Kontinent war keineswegs der Endpunkt seiner Reise. Von den portugiesischen Überseebesitzungen aus führte die Mission Franz Xaver bis nach Japan. 1551 nach Indien zurückgekehrt, plante er eine China-Reise. Dieses Land wurde für die Verbreitung des christlichen Glaubens als besonders wichtig betrachtet, da andere Kulturen, wie beispielsweise die japanische, in engem kulturellen Austausch mit der chinesischen standen.[1] Diese Reise trat Franz Xaver jedoch nie an, da er am 3. Dezember 1552 im Alter von 46 Jahren verstarb.[2] Heute gilt Franz Xaver als Patron aller katholischen Missionen auf dem Erdkreis.[3] In dieser Funktion wird er als Namenspatron der ehemaligen Jesuitenkirche in Paderborn geehrt, und ist auf dem aufwendig verzierten und beschmückten Altarbild beim Predigen vor den Heiden verewigt.

Seinen Plan einer China-Reise sollte nach seinem Tod ein anderer umsetzen: Kurz nach ihm trat der 1552 geborene italienische Jesuit Matteo Ricci seine Reise nach Asien an. 1583 erhielt er „als erster Europäer der Neuzeit die Erlaubnis, sich in China aufzuhalten.“[4] Ricci wandte eine neue Methode der Missionierung an, die sog. Akkommodationsmethode.[5] Wie der Name bereits andeutet, versuchte Ricci sich so gut er konnte den Riten und Bräuchen der lokalen Bevölkerung anzupassen. Hierzu nahm er unter anderem einen chinesischen Namen an und übernahm die Umgangsformen lokaler Gelehrter.[6] Riccis Kenntnisse in den Naturwissenschaften und der Technik ermöglichten es ihm ab 1601 in Peking zu verweilen und bis zu seinem Tod im Jahr 1610 für den Kaiser zu arbeiten.[7]

Riccis Nachfolger taten es ihm gleich und integrierten sich ebenso in China, insbesondere im Bereich der Wissenschaft. Diese Integration stärkte das Vertrauen des Kaisers, sodass dieser 1692 das Christentum in China als offizielle Religion anerkannte.[8] So waren zwischen 1661 und 1722 rund 460 Jesuiten in China als Missionare tätig. Einige von ihnen stammten selbst aus China.[9]

Die Chinamission sollte jedoch keinen permanenten Erfolg haben. Die Akkommodationsmethode mit ihren Anpassungen und Übernahme von lokalen Bräuchen wie z.B. der Ahnenehrung wurde in manchen katholischen Kreisen im Kontext des sog. Ritenstreits als Synkretismus verurteilt, also als Vermischung verschiedener religiöser und philosophischer Praktiken.[10] In Bezug auf die Akkommodationsmethode ist damit die Übernahme von asiatischen Bräuchen gemeint. Dies führte zum Verbot der Akkommodationsmethode durch Papst Benedikt XIV. im Jahr 1742, der damit den Ritenstreit beendete, aber die Missionare in China unter Druck brachte. Weil sie sich nicht mehr in gleichem Maße an die Landessitten anpassen durften, wurden viele der Jesuiten in ihrer Arbeit eingeschränkt oder sogar des Landes verwiesen. Nach Aufhebung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV. im Jahr 1773 war die erste Chinamission schließlich beendet. Nach der offiziellen Wiederherstellung der Societas Jesu im Jahr 1814 konnten die Jesuiten nur begrenzt an ihre Traditionen in China anknüpfen. Heute sind sie in ihrer Arbeit auf die chinesische Ordensprovinz der Jesuiten, mit ihrem Hauptsitz in Macau, beschränkt.[11]

Waren auch Jesuiten aus Paderborn in China tätig? Das scheint tatsächlich der Fall gewesen zu sein. Der Paderborner Bischof Ferdinand von Fürstenberg – der gleiche, der Franz Xaver zu Ehren die Marktkirche errichten ließ – richtete am 25. März 1682 eine Missionsstiftung ein, die sog. Missio Ferdinandea.[12] Zweck der Stiftung war es „den Seelen zu helfen“[13], also in der Mission den christlichen Glauben zu verbreiten.  Franz Xaver galt dabei als „Vorbild […], dem es nachzueifern gelte.“[14] Ferdinand von Fürstenberg wollte die Stiftung aus persönlicher Wertschätzung eng an die Societas Jesu binden[15]und ihr die Missionsaufgaben exklusiv anvertrauen.[16] Die Stiftung sandte zu Beginn 36 Missionare aus, welche eine Mission generell zu zweit antreten sollten.[17] Und obwohl sich Ferdinand von Fürstenbergs Missionstätigkeit bisher hauptsächlich auf westfälische, zentraleuropäische und nordische Gebiete beschränkt hatte und auch die Jesuiten selbst nur in wenigen Fällen in Asien und Amerika tätig gewesen waren,[18] wurde mit der Missio Ferdinandea im Jahr 1682 explizit auch Ostasien in den Radius der Mission einbezogen. Der Bischof reagierte damit auch auf die Denkschrift von Vizeprovinzial Ferdinand Verbiest aus dem Jahr 1678, der darin über einen Mangel an Priestern in China berichtet hatte.[19] Eine der bei ihrer Gründung in der Missio Ferdinandea genannten 15 Missionen fokussierte deshalb auf China und seine angrenzenden Inseln.[20] Es gibt Hinweise darauf, dass das auch mit Interessen von Mitgliedern der Missio Ferdinandea am Ostasiatischen Raum zu tun gehabt haben könnte. Der früheste Hinweis darauf findet sich im Jahr 1710, als der Paderborner Jesuit Aloysius Neumann sich darum bewarb, entweder in China oder in der Malabarmission, dem Gebiet des heutigen indischen Bundesstaats Kerala an der Südwestküste des Landes, eingesetzt zu werden.[21] Ob ihm dieser Wunsch tatsächlich erfüllt wurde, ist gegenwärtig noch nicht bekannt.   

Das Portraitbild aus der Paderborner Marktkirche zeigt den ehem. Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg (1626–1683). Foto: Eduard Seng.

Die Vermutung liegt nahe, dass Neumann nicht der einzige Paderborner Jesuit war, der im Sinne des Vorbilds Franz Xaver in die ostasiatische Mission in China strebte. Wie viele Paderborner Jesuiten bzw. Jesuiten, die im Laufe ihrer Ordensjahre eine Zeitlang in Paderborn tätig waren, letztendlich nach China geschickt wurden, ist noch nicht ausreichend erforscht: Die Personalia der Paderborner Jesuiten wurden noch nicht systematisch ausgewertet. Es ist damit zu rechnen, dass eine detaillierte Analyse dieses Archivmaterials die Namen einiger Missionare zwischen Paderborn und China zu Tage fördern würde – auch wenn man sich angesichts der insgesamt nur geringen Größe der Missio Ferdinandea nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass ein Großteil der Überseemissionen des 18. Jahrhunderts auch weiterhin durch spanische sowie italienische Missionare getragen wurde. Die informelle Kolonialherrschaft durch die europäischen Großmächte England und Frankreich wurde zwar erst später, im 19. Jahrhundert, flächendeckend in China etabliert. Er baute aber auch auf dem Wissen über das Land und seine Bewohnerinnen und Bewohner auf, das die Missionare vorher nach Europa gebracht hatten.


[1] Haub, Rita; Oberholzer, Paul: Matteo Ricci und der Kaiser von China. Jesuitenmission im Reich der Mitte, Würzburg 2010, S. 15.

[2] Haub; Oberholzer 2010, S. 16.

[3] Ebd., S. 16

[4] Ebd., S. 17.

[5] Haub, Rita: Die Geschichte der Jesuiten, Darmstadt 2007, S. 74.

[6] Haub; Oberholzer 2010, S. 17.

[7] Haub 2007, S. 74.

[8] Ebd., S. 74.

[9] Ebd., S. 74.

[10] Siehe dazu: Duden: Synkretismus, URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Synkretismus (zuletzt abgerufen am 09.05.2024).

[11] Wiedenmann, Ludwig: „Geht und entzündet alles!“ 200 Jahre weltweite Jesuitenmission, online verfügbar über: https://jesuitenweltweit.de/fileadmin/Dateien/Jesuitenmission/Ueber_uns/Artikel_Ludwig_Wiedenmann_SJ_01.pdf (zuletzt abgerufen am 19.04.2024.), S. 5.

[12] Dahlke, Benjamin: Die Missio Ferdinandea. Eine Missionsstiftung und ihre Geschichte, in: Börste, Norbert; Ernesti, Jörg (Hrsg.): Friedensfürst und Guter Hirte. Ferdinand von Fürstenberg. Fürstbischof von Paderborn und Münster, Paderborn 2004, S. 183 – 208, hier: S. 184.

[13] Ebd., S. 184.

[14] Ebd., S. 184-185.

[15] Ernesti, Jörg: Ferdinand von Fürstenberg (1626-1683). Geistiges Profil eines barocken Fürstbischofs, Paderborn 2004, S. 147

[16] Ebd., S. 147.

[17] Dahlke 2004, S. 138.                      

[18] Zwischen 1600 und 1670 sind lediglich 30 Jesuiten der Deutschen Assistenz in Asien und Amerika nachweisbar, vgl. ebd, S. 190.

[19] Ebd, S. 187.

[20] Ernesti 2004, S. 138.

[21] Ebd., S. 190.