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Rassismus, „der wirklich das Zwerchfell des zahlreichen Auditoriums […] ergözte“ – eine Theateraufführung im Jahr 1837

Am achten Dezember 1837 wurde in Paderborn das von Franz Xaver Told (1792-1849)[1] im Jahr 1831 geschriebene, melodramatische[2] Stück „Domi, der Amerikanische Affe oder Die Nǝƃǝɹ auf St. Niklas“, andernorts auch „Domi, der Amerikanische Affe oder: Nǝƃǝɹ-Rache“[3] genannt, aufgeführt. Franz Xaver Told war vor seiner Karriere als Schriftsteller und Dichter Hauptmann in der österreichischen Armee. Nachdem er sich vom Militär zur Ruhe gesetzt hatte, lebte er von den Einnahmen seiner Theaterstücke und Werke. Allerdings blieb der finanzielle Erfolg aus und Franz Xaver Told starb arm, einsam und halbgelähmt in einem Wiener Invalidenhaus im Alter von 57 Jahren.[4] Die Aufführung seines Stücks fand im Paderborner Rathaussaal statt. Musikalisch begleitet wurde das Stück von der Gruppe rund um den österreich-ungarischen Komponisten Adolf Müller (1801-1886).[5] Neben seiner Arbeit für Domi, der Amerikanische Affe komponierte Müller eine Vielzahl von weiterer Bühnenmusik für zeitgenössische Dichter wie Anzengruber, Bäuerle und Kaiser.[6] Zeitungsartikel und Werbeplakate zeigen, dass das Stück sich nicht nur in Paderborn großer Beliebtheit erfreute. Die Theatergruppe rund um Müller führte es auch in Düsseldorf (1838)[7] und Solingen (1836)[8] auf. Es handelte sich um eine Komödie, wie einer Rezension des Stückes aus dem Jahr 1863 im Sammler, einer Wiener Unterhaltungszeitschrift, zu entnehmen ist: „Domi, der amerikanische Affe oder Nǝƃǝɹ-Rache […] ergözte [sic!] wirklich das Zwerchfell des zahlreichen Auditoriums“[9].

Ankündigung von „Domi“ im Paderborner Theater aus dem Jahr 1837. Gefunden in den Sammlungen des Paderborner Altertumsvereins.

Das Theaterstück erzählt die Heldengeschichte des Affen Domi, welcher ein von Schwarzen[10] Seeleuten entführtes Kind rettet und seinen Eltern zurückgibt. Auch wenn der Text des Stücks leider nicht mehr greifbar ist, so lässt sich doch rekonstruieren, dass die Handlung in der Karibik verortet war. St. Nicolas, wo das Stück offenbar spielte, ist eine Stadt auf der Insel Aruba im Norden von Venezuela. Außerdem spielte im Stück die ehemalige französische Kolonie Saint Domingue eine wichtige Rolle, denn der Hauptcharakter Erasmus Krugen wird als Pflanzer aus St. Domingo vorgestellt, also aus der Hauptstadt der heutigen Dominikanischen Republik.[11]

Welche Assoziationen weckten diese in der Karibik gelegenen Orte 1837 beim Paderborner Publikum? Mit Sicherheit waren sie für die Zeitgenossen keine unbeschriebenen Blätter. Lateinamerika war in den 1820er Jahren ständig in der europäischen Presse präsent: Zwischen 1809 und 1825 befreiten sich neben Venezuela, wo das Stück spielte, auch Argentinien, Bolivien, Chile, Ecuador, und einigen weiteren Ländern aus der Abhängigkeit der Kolonialmacht Spanien und gründeten Republiken. Viele liberale Europäer*innen richteten deshalb in der Phase der Restauration nach dem Wiener Kongress ihre Hoffnungen auf Erneuerung und Reform auf Südamerika, und einige von ihnen reisten sogar dorthin, um die Aufständischen in ihren Unabhängigkeitskämpfen zu unterstützen. Venezuela gehörte unter dem großen Freiheitskämpfer Simón Bolívar zunächst zur Republik Großkolumbien, erklärte sich bei seinem Tod 1830 dann aber für selbständig. In der Wahrnehmung des Publikums stand es gewiss für liberale Erneuerung einerseits, aber möglicher Weise auch für revolutionäres Chaos oder überzogenes Freiheitspathos andererseits. Das Stück spielte auf der vor der nördlichen Küste Venezuelas gelegenen Insel Aruba oder rund herum.

Darstellung Arubas in der Encyclopedia Britannica. (Hoetink, Harmannus: Aruba, in: Encyclopedia Britannica, 2024, https://www.britannica.com/place/Aruba (zuletzt abgerufen am 19.09.2024).

Piraterie, auch verbunden mit Menschenraub, war in dieser Region keine Seltenheit in den 1820er und 1830er Jahren. Wer ein Pirat war, lag jedoch im Auge des*der Betrachter*in: Im Kontext der Unabhängigkeitsbestrebungen der lateinamerikanischen Kolonien wurde von den Großmächten, beispielsweise Spanien und England, Seeraub in Form von Kaperei, die ihre Gegner schädigte, zum Teil gebilligt oder sogar staatlich lizenziert.[12] Beim Begriff „Pirat“ handelt es sich also um eine Fremdzuschreibung, welche genutzt wurde (und wird), um die Handlungen eines Gegners zu delegitimieren.[13] Es wäre also wenig überraschend, wenn Franz Xaver Told den Begriff für die Besatzung des Räuber-Schiffes verwendet hätte, auch wenn wir das nicht verifizieren können.

Der Vater des geraubten Kindes hingegen wird als „reicher Pflanzer“ aus St. Domingo eingeführt, der Hauptstadt der heutigen Dominikanischen Republik auf der Insel Hispaniola, auf der 1492 Kolumbus zum ersten Mal amerikanischen Boden betreten hatte.[14] Die Insel liegt ca. 700 km nördlich von Aruba. Sie stand seit Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Namen Saint Domingue unter französischer Herrschaft und ermöglichte den französischen Siedler*innen ein einträgliches Geschäft vor allem mit Zuckerrohr und Kaffee. Auf den riesigen Plantagen arbeiteten Sklav*innen, die aus Westafrika, aus dem Gebiet es heuten Gambia und Senegal, nach Hispaniola verschleppt wurden. Sie stellten ca. 90% der Inselbevölkerung. Neben ihnen und den Weißen „großen“ Plantagenbesitzern lebten auf der Insel auch die „kleinen“ Weißen, z.B. Händler und Handwerker, und die sog. Kreolen, Nachkommen aus Verbindungen von Weißen Siedlern und Schwarzen Sklavinnen, die oft selbst Sklavenhalter waren.

Mit Beginn der französischen Revolution hatte auch die Bewohner*innenschaft in Saint Domingue sich in unterschiedliche Parteien gespalten, die begannen, sich gegenseitig zu bekriegen. Zudem nutzten die Sklav*innen, die sich schon vorher mehrfach vergebens erhoben hatten, die Chance für einen neuen Aufstand, der 10.000 Menschen das Leben kostete. Die Hautfarbe war in diesen gewaltsamen Auseinandersetzungen nur eine Kategorie von mehreren. Daneben verliefen die Fronten auch zwischen freien und unfreien Menschen sowie zwischen Besitzenden und Besitzlosen.

Am 4. Februar 1794 schaffte der jakobinische Nationalkonvent die Sklaverei in den französischen Kolonien ab, weniger aus Menschenliebe als vielmehr, um Frankreich die Loyalität der Befreiten im Kampf gegen Spanien und England zu sichern, die ihre Chance zur Intervention in der Karibik witterten. Dieser Plan Frankreichs ging zunächst auf, und der Anführer der Aufständischen Toussaint Louverture arbeitete mit Napoleon Bonaparte zusammen, nachdem dieser 1799 zum ersten Konsul gewählt worden war. Dann aber erließ Louvertüre 1801 eine Verfassung, die eindeutig festschrieb, dass ein Mensch nicht Eigentum eines anderen sein kann. Zudem ließ er sich als Herrscher auf Lebzeit bestätigen, und zwar ohne Napoleons Zustimmung einzuholen. Das ging dem ersten Konsul in Paris entschieden zu weit: Er führte am 20. Mai 1802 die Sklaverei in den französischen Kolonien wieder ein, die auf den benachbarten Inseln Martinique und Guadeloupe in der Tat bis 1848 fortbestand. Nach Saint Domingue schickte er seinen Schwager Charles Leclerc mit 20.000 Soldaten, um die französische Herrschaft und mit ihr die Sklaverei wiederherzustellen. Nach anfänglichen Erfolgen der Franzosen konnten sich aber die Aufständischen unter Louvertures Nachfolger Jean-Jacques Dessalines allerdings durchsetzen. Sie erklärten am 1. Januar 1804 ihre Unabhängigkeit und Dessalines rief sich zum Kaiser eines Nationalstaates aus, der sich Haiti nannte. Hierbei handelt es sich um den einzigen dauerhaft erfolgreichen Sklavenaufstand in der Geschichte. Er sicherte nicht nur einer halben Million Menschen die Freiheit, sondern hatte auch enorme Signalwirkung auf andere Kolonien und die Sklavenhaltergesellschaft der USA. Es gelang allerdings nicht, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Haiti dauerhaft miteinander auszusöhnen, sodass bewaffnete Konflikte die nächsten Jahrzehnte prägten.

Mittel- und Südamerika mit den Grenzen von ca. 1825 im Dierke-Atlas. Die Inseln Haiti und Aruba wurden hervorgehoben. (Diercke Weltatlas: Mittel- und Südamerika – Nationalstaaten um 1825 (Ende der Befreiungskriege)
Mittel- und Südamerika – Staaten, online verfügbar unter: https://diercke.de/content/mittel-und-s%C3%BCdamerika-nationalstaaten-um-1825-ende-der-befreiungskriege-100849-160-2-1 (zuletzt abgerufen am 19.09.2024)).

Im Laufe der Kämpfe vor 1804 wurden die meisten Weißen Bewohner*innen getötet oder gewaltsam von der Insel vertrieben. Die neue Regierung Haitis verbot am 20. Mai 1805 den Grundbesitz für Weiße, mit Ausnahme von ehemaligen deutschen Siedler*innen, eingebürgerten Witwen und polnischen Soldaten (den sog. „Sturmvögeln der Revolution“, die überall mitmischten, wo es gegen die Restauration zu kämpfen galt), die im Laufe der Kampfhandlungen zu den Aufständischen übergelaufen waren.[15] Diese Personen wurden per Gesetz zu Schwarzen erklärt, eine Bezeichnung, die in diesem Kontext also nicht die Hautfarbe, sondern den politischen Status bezeichnete.[16]

In diese Kategorie dürfte auch Erasmus Krugen gehört haben, von dem wir im Stück erfahren, dass er vor seiner Tätigkeit als Pflanzer auf St. Domingue/Haiti als Kaufmann in Hamburg gearbeitet hatte.[17] Die genannten historischen Zusammenhänge dürften dem Paderborner Publikum durchaus präsent gewesen sein, hatten die lokalen Zeitungen doch über die karibischen Kriege Frankreichs sehr wohl berichtet, wie z.B. das Paderborner Intelligenzblatt vom 18. Februar 1804[18] sowie vom 10. März 1804[19]. In der letzteren Ausgabe wurden die Regierenden auf Haiti vereinzelt als „wild“, „unwissend“ und „völlig unfähig“ charakterisiert und die erfolgreichen Aufständischen herabgesetzt.[20] Dass Haiti Ort gewaltsamer Auseinandersetzung zwischen Schwarzen und Weißen gewesen waren und dass dort nun der erste und einzige Schwarze Nationalstaat der Welt existierte, das zumindest dürften die Paderborner gewusst haben. Weil uns der Text fehlt, können wir nicht genau ermitteln, für was die Kinderräuber sich denn rächen wollten; im Kontext der massiven gesellschaftlichen Spannungen und gewaltsamen Auseinandersetzung können wir uns aber diverse Konstellationen vorstellen, die eine solche Rache hätten motivieren können. Jedenfalls, so lässt sich sicher sagen, war Rache im Stück das Motiv der Schiffsbesatzung zum Kindsraub.

Die Gruppe der Schiffsbesatzung im Stück bestand vorwiegend aus people of colour: neben „Nǝƃǝɹ Schiffs Capitän [sic!] Defsa Gafsava“[21], welcher später auch das Kind raubte,[22] wurden Plantagenarbeiter und andere Bewohner der ländlichen Gegenden Haitis genannt. Es ist davon auszugehen, dass die komische Wirkung des Stücks in erster Linie durch die Verunglimpfung der lateinamerikanischen Freiheitsbewegungen einerseits und die lächerliche Darstellung der gescheiterten Schwarzen Kindesräuber andererseits erzeugt wurde. Zudem lässt sich vermuten, dass die people of colour durch unchristliche und negativ konnotierte Emotionen wie z.B. ihre Rachsucht charakterisiert wurden. Außerdem wurden sie offenbar als so dumm dargestellt, dass sogar ein Affe ihnen ihre Beute wieder abjagen konnte. Unter der Besatzung gab es allerdings auch einige wenige Weiße Personen, möglicherweise ehemalige und gestrandete Kämpfer aus den Unabhängigkeitskriegen der Region.[23] Diese scheinen durch das Zusammenleben mit den Schwarzen jedoch so moralisch verdorben, dass sie sich dem Kindsraub nicht widersetzten oder sogar daran mitwirkten – um die Details in der Zeichnung der Charaktere herausarbeiten zu können, bräuchten wir den Text. Gut vorstellbar wäre auch, dass der Freiheitsdurst der Weißen Freiheitskämpfer in komischen Gegensatz zu dem der Schwarzen gestellt wurde.

Das Lächerlich-Machen der people of colour spielte mit rassistischen Stereotypen, die sich auch in der internationalen Missachtung der Schwarzen Republik ab 1804 äußerten. Die Nachbarstaaten betrachteten den Erfolg der Aufständischen einerseits als Provokation, andererseits aber auch als gefährlichen Glutpunkt, von dem aus revolutionäre Ideen und Praktiken auf das eigene Territorium überspringen konnten.[24] Zweifel und Ablehnung der Souveränität der afrokaribischen Nation waren deshalb weit verbreitet.[25] Dies war mit ein Grund dafür, dass der junge Staat zwar Abnehmer für seine Exportwaren (Zucker, Baumwolle und andere Kolonialwaren) fand, aber nie zur wirtschaftlichen Prosperität zurückkehren konnte. Die Reparationen in Höhe von 150 Mio. Goldfrancs, die Haiti noch bis ins Jahr 1947 an Frankreich bezahlen mussten, waren ein weiterer Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung, die viele Weiße Zeitgenoss*innen jedoch den mangelnden Fähigkeiten und Fertigkeiten der Haitianer*innen anlasteten. Die rassistischen Stereotype waren extrem zäh: noch mehr als ein Jahrhundert später, im Jahr 1915, betrachteten und behandelten die US-amerikanischen Besatzer*innen Haitis die Einwohner*innen als „Unmündige [..], die weißer Führung bedurften, um ein modernes Staatswesen zu begründen“.[26]

Domi, der amerikanische Affe brachte also die „exotische“ Welt der Karibik ins ländliche Paderborn, es bediente die Neugierde der Paderborner*innen auf die Fremde und die Fremden. Allerdings wurden die Bewohner*innen der Karibik keineswegs als gleichberechtigt oder gleichwertig dargestellt, sondern rassistische Stereotype dienten dazu, eine klare soziale Hierarchie zwischen Weißen und Schwarzen Menschen zu konstruieren. Im Stück war es die Hautfarbe, die Charakter, Fähigkeiten und kulturelle Entwicklung der Menschen bestimmte. Das Handeln des deutschen Kaufmanns wurde durch dieses angebliche Gefälle legitimiert, auch wenn die Rassenlehre des 18. Jahrhunderts sich von der des späten 19. Jahrhunderts deutlich unterscheidet.[27] Dass für den Transport dieser rassistischen Stereotype ausgerechnet das Motiv des Raubes eines Weißen Kindes gewählt wurde, während gleichzeitig zahlreiche Schwarze Kinder auch gegen den Willen ihrer Eltern nach Europa und in die Region Paderborn verschleppt wurden (vgl. Blogbeiträge zu Wilhelm Liborius Endormiro und Allagabo Timm), ist ein bemerkenswertes Phänomen. Nicht vergessen dürfen wir zudem, dass das Stück zu einer Zeit aufgeführt wurde, als viele Westfälinnen*Westfalen ihre Heimat in Richtung USA oder Südamerika verließen, um der Armut und den politischen Restriktionen im preußischen Westfalen zu entkommen und anderswo ein besseres Leben zu suchen [28]– den im Theaterstück transportierten Rassismus nahmen sie dorthin mit.


[1] Deutsche Biographie: Told, Franz Xaver, URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz82790.html (letzter Zugriff am: 07.08.2024).

[2] Unter einem Melodrama versteht man ein Schauspiel, welches durch Musik untermalt wird. Siehe: Duden: Melodrama, URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Melodrama (letzter Zugriff am: 07.08.2024).

[3] Siehe Abbildung Theater Düsseldorf; in der ersten Originalfassung wurde Domi als „brasilianischer Affe“ bezeichnet: Siehe: Deutsche Biographie: Told, Franz Xaver.

[4] Ebd.

[5] Österreichisches Musiklexikon online: Müller, familie, URL: https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_M/Mueller_Familie_1.xml (letzter Zugriff am: 07.08.2024).

[6] Wien Geschichte Wiki: Adolf Müller senior, URL: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Adolf_Müller_senior#tab=Auszeichnungen (letzter Zugriff am 02.09.2024).

[7] Abbildung Theater Düsseldorf.

[8] Agger-Blatt 1836 (38), S. 4, URL: https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/2936711 (letzter Zugriff am: 08.08.2024).

[9] Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt 1833 (71), S. 284, URL: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=sam&datum=18330613&seite=4&zoom=33 (letzter Zugriff am: 08.08.2024).

[10] Im Kontext dieser Arbeit werden die Begriffe „Schwarz“ und „Weiß“ durchgängig großgeschrieben. Hierdurch soll deutlich gemacht werden, dass es sich um politische Festlegungen handelt und nicht um biologische Tatsachen. Von rassistischen Bedeutungszuschreibungen distanziert sich der Autor explizit. Siehe: Buggeln, Marc: Der welthistorische Ort der Haitianischen Revolution (1791-1804), in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 2023 (2), S. 105-128, hier: S. 107.

[11] Siehe Abbildung: Theater Paderborn. Leider war es trotz intensiver Bemühungen nicht möglich, den vollständigen Text der Komödie aufzufinden, sondern nur eine Zusammenfassung. Lediglich die Noten zum Stück befinden sich in der österreichischen Nationalbibliothek in Wien.

[12] Kempe, Michael: Schrecken der Ozeane. Eine kurze Globalgeschichte der Piraterie, in: Bundeszentrale für politische Bildung, veröffentlicht am: 22.11.2012, URL: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/149607/schrecken-der-ozeane-eine-kurze-globalgeschichte-der-piraterie/ (letzter Zugriff am: 21.08.2024).

[13] Ebd.

[14] Zum Folgenden vgl. Buggeln, Marc: Der welthistorische Ort der Haitianischen Revolution (1791-1804), in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 2023 (2), S. 105-128.

[15] Buggeln 2023, S. 121. Nach einem gescheiterten Aufstand gegen Preußen und Russland in Polen 1795 sind viele Pol*innen nach Frankreich ausgewandert. Dort wurde eine polnische Legion aufgestellt, welche die französischen Truppen in Kampfhandlungen gegen Österreich und Russland in Italien und später auch auf Haiti unterstützten.

[16] Ebd., S. 121.

[17] Siehe: Abbildung: Theater Düsseldorf sowie Abbildung: Theater Paderborn.

[18] Siehe: Paderborner Intelligenzblatt 1804 (7), S. 7-8.

[19] Siehe: Paderborner Intelligenzblatt 1804 (10), S. 5.

[20] Ebd.

[21] Theatermuseum: Szenenbild: Domi, der amerikanische Affe oder Nǝƃǝɹ-Rache.

[22] Siehe: Theatermuseum: Szenenbild: Domi, der amerikanische Affe oder Nǝƃǝɹ-Rache, URL: https://www.theatermuseum.at/online-sammlung/detail/964743/ (letzter Zugriff am: 07.08.2024).

[23] Theatermuseum: Szenenbild: Domi, der amerikanische Affe oder Nǝƃǝɹ-Rache.

[24] Gliech, Oliver: Haiti – Die „erste schwarze Republik“ und ihr Koloniales Erbe, in: Bundeszentrale für politische Bildung, veröffentlicht am: 05.07.2010, URL: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32627/haiti-die-erste-schwarze-republik-und-ihr-koloniales-erbe/#footnote-target-1 (letzter Zugriff am: 21.08.2024).

[25] Ebd.

[26] Ebd.

[27] Siehe dazu: Buggeln 2023, S. 107. Historisch betrachtet geht die Sklaverei dem Rassismus voraus. Im Laufe der Zeit wurden rassistische Motive jedoch vermehrt benutzt, um Sklaverei und Unterdrückung zu rechtfertigen.

[28] Siehe dazu: Emmerich, Alexander: Little Germany. Deutsche Auswanderer in Nordamerika, Frankfurt a.M. 2019, S.16.

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„Den armen Seelen helfen“ – Die Paderborner Jesuitenmission in China

Im Stadtzentrum Paderborns befindet sich die Marktkirche, die ehemalige Jesuitenkirche Sankt Franz Xaver. Doch wer war Franz Xaver und warum wurde die Paderborner Marktkirche nach ihm benannt? Wie beeinflusste sein Leben die Arbeit und das Leben der Jesuiten in Paderborn, und was hat er mit Mission und – aus heutiger Sicht – ggf. mit Kolonialismus zu tun?

Die Nordseite der Paderborner Marktkirche St. Franz Xaver. Foto: Eduard Seng

Der Jesuit Franz Xaver begann im Jahr 1541 seine Reise nach Indien im Auftrag des portugiesischen Königs Johann III., welchen Papst Paul III. um Missionare für die ostindischen Besitzungen Portugals gebeten hatte. In Indien gab es im 16. Jahrhundert verschiedene europäische Niederlassungen, aber auch von Einheimischen regierte Territorien, darunter das islamisch geprägte Mogulreich, welches sich vom 16. bis ins 19. Jahrhundert über große Teile Indiens erstreckte. Franz Xaver war der erste Missionar der „Societas Jesu“, des Jesuitenordens, der nach Indien reiste. Aber der Kontinent war keineswegs der Endpunkt seiner Reise. Von den portugiesischen Überseebesitzungen aus führte die Mission Franz Xaver bis nach Japan. 1551 nach Indien zurückgekehrt, plante er eine China-Reise. Dieses Land wurde für die Verbreitung des christlichen Glaubens als besonders wichtig betrachtet, da andere Kulturen, wie beispielsweise die japanische, in engem kulturellen Austausch mit der chinesischen standen.[1] Diese Reise trat Franz Xaver jedoch nie an, da er am 3. Dezember 1552 im Alter von 46 Jahren verstarb.[2] Heute gilt Franz Xaver als Patron aller katholischen Missionen auf dem Erdkreis.[3] In dieser Funktion wird er als Namenspatron der ehemaligen Jesuitenkirche in Paderborn geehrt, und ist auf dem aufwendig verzierten und beschmückten Altarbild beim Predigen vor den Heiden verewigt.

Seinen Plan einer China-Reise sollte nach seinem Tod ein anderer umsetzen: Kurz nach ihm trat der 1552 geborene italienische Jesuit Matteo Ricci seine Reise nach Asien an. 1583 erhielt er „als erster Europäer der Neuzeit die Erlaubnis, sich in China aufzuhalten.“[4] Ricci wandte eine neue Methode der Missionierung an, die sog. Akkommodationsmethode.[5] Wie der Name bereits andeutet, versuchte Ricci sich so gut er konnte den Riten und Bräuchen der lokalen Bevölkerung anzupassen. Hierzu nahm er unter anderem einen chinesischen Namen an und übernahm die Umgangsformen lokaler Gelehrter.[6] Riccis Kenntnisse in den Naturwissenschaften und der Technik ermöglichten es ihm ab 1601 in Peking zu verweilen und bis zu seinem Tod im Jahr 1610 für den Kaiser zu arbeiten.[7]

Riccis Nachfolger taten es ihm gleich und integrierten sich ebenso in China, insbesondere im Bereich der Wissenschaft. Diese Integration stärkte das Vertrauen des Kaisers, sodass dieser 1692 das Christentum in China als offizielle Religion anerkannte.[8] So waren zwischen 1661 und 1722 rund 460 Jesuiten in China als Missionare tätig. Einige von ihnen stammten selbst aus China.[9]

Die Chinamission sollte jedoch keinen permanenten Erfolg haben. Die Akkommodationsmethode mit ihren Anpassungen und Übernahme von lokalen Bräuchen wie z.B. der Ahnenehrung wurde in manchen katholischen Kreisen im Kontext des sog. Ritenstreits als Synkretismus verurteilt, also als Vermischung verschiedener religiöser und philosophischer Praktiken.[10] In Bezug auf die Akkommodationsmethode ist damit die Übernahme von asiatischen Bräuchen gemeint. Dies führte zum Verbot der Akkommodationsmethode durch Papst Benedikt XIV. im Jahr 1742, der damit den Ritenstreit beendete, aber die Missionare in China unter Druck brachte. Weil sie sich nicht mehr in gleichem Maße an die Landessitten anpassen durften, wurden viele der Jesuiten in ihrer Arbeit eingeschränkt oder sogar des Landes verwiesen. Nach Aufhebung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV. im Jahr 1773 war die erste Chinamission schließlich beendet. Nach der offiziellen Wiederherstellung der Societas Jesu im Jahr 1814 konnten die Jesuiten nur begrenzt an ihre Traditionen in China anknüpfen. Heute sind sie in ihrer Arbeit auf die chinesische Ordensprovinz der Jesuiten, mit ihrem Hauptsitz in Macau, beschränkt.[11]

Waren auch Jesuiten aus Paderborn in China tätig? Das scheint tatsächlich der Fall gewesen zu sein. Der Paderborner Bischof Ferdinand von Fürstenberg – der gleiche, der Franz Xaver zu Ehren die Marktkirche errichten ließ – richtete am 25. März 1682 eine Missionsstiftung ein, die sog. Missio Ferdinandea.[12] Zweck der Stiftung war es „den Seelen zu helfen“[13], also in der Mission den christlichen Glauben zu verbreiten.  Franz Xaver galt dabei als „Vorbild […], dem es nachzueifern gelte.“[14] Ferdinand von Fürstenberg wollte die Stiftung aus persönlicher Wertschätzung eng an die Societas Jesu binden[15]und ihr die Missionsaufgaben exklusiv anvertrauen.[16] Die Stiftung sandte zu Beginn 36 Missionare aus, welche eine Mission generell zu zweit antreten sollten.[17] Und obwohl sich Ferdinand von Fürstenbergs Missionstätigkeit bisher hauptsächlich auf westfälische, zentraleuropäische und nordische Gebiete beschränkt hatte und auch die Jesuiten selbst nur in wenigen Fällen in Asien und Amerika tätig gewesen waren,[18] wurde mit der Missio Ferdinandea im Jahr 1682 explizit auch Ostasien in den Radius der Mission einbezogen. Der Bischof reagierte damit auch auf die Denkschrift von Vizeprovinzial Ferdinand Verbiest aus dem Jahr 1678, der darin über einen Mangel an Priestern in China berichtet hatte.[19] Eine der bei ihrer Gründung in der Missio Ferdinandea genannten 15 Missionen fokussierte deshalb auf China und seine angrenzenden Inseln.[20] Es gibt Hinweise darauf, dass das auch mit Interessen von Mitgliedern der Missio Ferdinandea am Ostasiatischen Raum zu tun gehabt haben könnte. Der früheste Hinweis darauf findet sich im Jahr 1710, als der Paderborner Jesuit Aloysius Neumann sich darum bewarb, entweder in China oder in der Malabarmission, dem Gebiet des heutigen indischen Bundesstaats Kerala an der Südwestküste des Landes, eingesetzt zu werden.[21] Ob ihm dieser Wunsch tatsächlich erfüllt wurde, ist gegenwärtig noch nicht bekannt.   

Das Portraitbild aus der Paderborner Marktkirche zeigt den ehem. Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg (1626–1683). Foto: Eduard Seng.

Die Vermutung liegt nahe, dass Neumann nicht der einzige Paderborner Jesuit war, der im Sinne des Vorbilds Franz Xaver in die ostasiatische Mission in China strebte. Wie viele Paderborner Jesuiten bzw. Jesuiten, die im Laufe ihrer Ordensjahre eine Zeitlang in Paderborn tätig waren, letztendlich nach China geschickt wurden, ist noch nicht ausreichend erforscht: Die Personalia der Paderborner Jesuiten wurden noch nicht systematisch ausgewertet. Es ist damit zu rechnen, dass eine detaillierte Analyse dieses Archivmaterials die Namen einiger Missionare zwischen Paderborn und China zu Tage fördern würde – auch wenn man sich angesichts der insgesamt nur geringen Größe der Missio Ferdinandea nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass ein Großteil der Überseemissionen des 18. Jahrhunderts auch weiterhin durch spanische sowie italienische Missionare getragen wurde. Die informelle Kolonialherrschaft durch die europäischen Großmächte England und Frankreich wurde zwar erst später, im 19. Jahrhundert, flächendeckend in China etabliert. Er baute aber auch auf dem Wissen über das Land und seine Bewohnerinnen und Bewohner auf, das die Missionare vorher nach Europa gebracht hatten.


[1] Haub, Rita; Oberholzer, Paul: Matteo Ricci und der Kaiser von China. Jesuitenmission im Reich der Mitte, Würzburg 2010, S. 15.

[2] Haub; Oberholzer 2010, S. 16.

[3] Ebd., S. 16

[4] Ebd., S. 17.

[5] Haub, Rita: Die Geschichte der Jesuiten, Darmstadt 2007, S. 74.

[6] Haub; Oberholzer 2010, S. 17.

[7] Haub 2007, S. 74.

[8] Ebd., S. 74.

[9] Ebd., S. 74.

[10] Siehe dazu: Duden: Synkretismus, URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Synkretismus (zuletzt abgerufen am 09.05.2024).

[11] Wiedenmann, Ludwig: „Geht und entzündet alles!“ 200 Jahre weltweite Jesuitenmission, online verfügbar über: https://jesuitenweltweit.de/fileadmin/Dateien/Jesuitenmission/Ueber_uns/Artikel_Ludwig_Wiedenmann_SJ_01.pdf (zuletzt abgerufen am 19.04.2024.), S. 5.

[12] Dahlke, Benjamin: Die Missio Ferdinandea. Eine Missionsstiftung und ihre Geschichte, in: Börste, Norbert; Ernesti, Jörg (Hrsg.): Friedensfürst und Guter Hirte. Ferdinand von Fürstenberg. Fürstbischof von Paderborn und Münster, Paderborn 2004, S. 183 – 208, hier: S. 184.

[13] Ebd., S. 184.

[14] Ebd., S. 184-185.

[15] Ernesti, Jörg: Ferdinand von Fürstenberg (1626-1683). Geistiges Profil eines barocken Fürstbischofs, Paderborn 2004, S. 147

[16] Ebd., S. 147.

[17] Dahlke 2004, S. 138.                      

[18] Zwischen 1600 und 1670 sind lediglich 30 Jesuiten der Deutschen Assistenz in Asien und Amerika nachweisbar, vgl. ebd, S. 190.

[19] Ebd, S. 187.

[20] Ernesti 2004, S. 138.

[21] Ebd., S. 190.