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Rassismus, „der wirklich das Zwerchfell des zahlreichen Auditoriums […] ergözte“ – eine Theateraufführung im Jahr 1837

Am achten Dezember 1837 wurde in Paderborn das von Franz Xaver Told (1792-1849)[1] im Jahr 1831 geschriebene, melodramatische[2] Stück „Domi, der Amerikanische Affe oder Die Nǝƃǝɹ auf St. Niklas“, andernorts auch „Domi, der Amerikanische Affe oder: Nǝƃǝɹ-Rache“[3] genannt, aufgeführt. Franz Xaver Told war vor seiner Karriere als Schriftsteller und Dichter Hauptmann in der österreichischen Armee. Nachdem er sich vom Militär zur Ruhe gesetzt hatte, lebte er von den Einnahmen seiner Theaterstücke und Werke. Allerdings blieb der finanzielle Erfolg aus und Franz Xaver Told starb arm, einsam und halbgelähmt in einem Wiener Invalidenhaus im Alter von 57 Jahren.[4] Die Aufführung seines Stücks fand im Paderborner Rathaussaal statt. Musikalisch begleitet wurde das Stück von der Gruppe rund um den österreich-ungarischen Komponisten Adolf Müller (1801-1886).[5] Neben seiner Arbeit für Domi, der Amerikanische Affe komponierte Müller eine Vielzahl von weiterer Bühnenmusik für zeitgenössische Dichter wie Anzengruber, Bäuerle und Kaiser.[6] Zeitungsartikel und Werbeplakate zeigen, dass das Stück sich nicht nur in Paderborn großer Beliebtheit erfreute. Die Theatergruppe rund um Müller führte es auch in Düsseldorf (1838)[7] und Solingen (1836)[8] auf. Es handelte sich um eine Komödie, wie einer Rezension des Stückes aus dem Jahr 1863 im Sammler, einer Wiener Unterhaltungszeitschrift, zu entnehmen ist: „Domi, der amerikanische Affe oder Nǝƃǝɹ-Rache […] ergözte [sic!] wirklich das Zwerchfell des zahlreichen Auditoriums“[9].

Ankündigung von „Domi“ im Paderborner Theater aus dem Jahr 1837. Gefunden in den Sammlungen des Paderborner Altertumsvereins.

Das Theaterstück erzählt die Heldengeschichte des Affen Domi, welcher ein von Schwarzen[10] Seeleuten entführtes Kind rettet und seinen Eltern zurückgibt. Auch wenn der Text des Stücks leider nicht mehr greifbar ist, so lässt sich doch rekonstruieren, dass die Handlung in der Karibik verortet war. St. Nicolas, wo das Stück offenbar spielte, ist eine Stadt auf der Insel Aruba im Norden von Venezuela. Außerdem spielte im Stück die ehemalige französische Kolonie Saint Domingue eine wichtige Rolle, denn der Hauptcharakter Erasmus Krugen wird als Pflanzer aus St. Domingo vorgestellt, also aus der Hauptstadt der heutigen Dominikanischen Republik.[11]

Welche Assoziationen weckten diese in der Karibik gelegenen Orte 1837 beim Paderborner Publikum? Mit Sicherheit waren sie für die Zeitgenossen keine unbeschriebenen Blätter. Lateinamerika war in den 1820er Jahren ständig in der europäischen Presse präsent: Zwischen 1809 und 1825 befreiten sich neben Venezuela, wo das Stück spielte, auch Argentinien, Bolivien, Chile, Ecuador, und einigen weiteren Ländern aus der Abhängigkeit der Kolonialmacht Spanien und gründeten Republiken. Viele liberale Europäer*innen richteten deshalb in der Phase der Restauration nach dem Wiener Kongress ihre Hoffnungen auf Erneuerung und Reform auf Südamerika, und einige von ihnen reisten sogar dorthin, um die Aufständischen in ihren Unabhängigkeitskämpfen zu unterstützen. Venezuela gehörte unter dem großen Freiheitskämpfer Simón Bolívar zunächst zur Republik Großkolumbien, erklärte sich bei seinem Tod 1830 dann aber für selbständig. In der Wahrnehmung des Publikums stand es gewiss für liberale Erneuerung einerseits, aber möglicher Weise auch für revolutionäres Chaos oder überzogenes Freiheitspathos andererseits. Das Stück spielte auf der vor der nördlichen Küste Venezuelas gelegenen Insel Aruba oder rund herum.

Darstellung Arubas in der Encyclopedia Britannica. (Hoetink, Harmannus: Aruba, in: Encyclopedia Britannica, 2024, https://www.britannica.com/place/Aruba (zuletzt abgerufen am 19.09.2024).

Piraterie, auch verbunden mit Menschenraub, war in dieser Region keine Seltenheit in den 1820er und 1830er Jahren. Wer ein Pirat war, lag jedoch im Auge des*der Betrachter*in: Im Kontext der Unabhängigkeitsbestrebungen der lateinamerikanischen Kolonien wurde von den Großmächten, beispielsweise Spanien und England, Seeraub in Form von Kaperei, die ihre Gegner schädigte, zum Teil gebilligt oder sogar staatlich lizenziert.[12] Beim Begriff „Pirat“ handelt es sich also um eine Fremdzuschreibung, welche genutzt wurde (und wird), um die Handlungen eines Gegners zu delegitimieren.[13] Es wäre also wenig überraschend, wenn Franz Xaver Told den Begriff für die Besatzung des Räuber-Schiffes verwendet hätte, auch wenn wir das nicht verifizieren können.

Der Vater des geraubten Kindes hingegen wird als „reicher Pflanzer“ aus St. Domingo eingeführt, der Hauptstadt der heutigen Dominikanischen Republik auf der Insel Hispaniola, auf der 1492 Kolumbus zum ersten Mal amerikanischen Boden betreten hatte.[14] Die Insel liegt ca. 700 km nördlich von Aruba. Sie stand seit Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Namen Saint Domingue unter französischer Herrschaft und ermöglichte den französischen Siedler*innen ein einträgliches Geschäft vor allem mit Zuckerrohr und Kaffee. Auf den riesigen Plantagen arbeiteten Sklav*innen, die aus Westafrika, aus dem Gebiet es heuten Gambia und Senegal, nach Hispaniola verschleppt wurden. Sie stellten ca. 90% der Inselbevölkerung. Neben ihnen und den Weißen „großen“ Plantagenbesitzern lebten auf der Insel auch die „kleinen“ Weißen, z.B. Händler und Handwerker, und die sog. Kreolen, Nachkommen aus Verbindungen von Weißen Siedlern und Schwarzen Sklavinnen, die oft selbst Sklavenhalter waren.

Mit Beginn der französischen Revolution hatte auch die Bewohner*innenschaft in Saint Domingue sich in unterschiedliche Parteien gespalten, die begannen, sich gegenseitig zu bekriegen. Zudem nutzten die Sklav*innen, die sich schon vorher mehrfach vergebens erhoben hatten, die Chance für einen neuen Aufstand, der 10.000 Menschen das Leben kostete. Die Hautfarbe war in diesen gewaltsamen Auseinandersetzungen nur eine Kategorie von mehreren. Daneben verliefen die Fronten auch zwischen freien und unfreien Menschen sowie zwischen Besitzenden und Besitzlosen.

Am 4. Februar 1794 schaffte der jakobinische Nationalkonvent die Sklaverei in den französischen Kolonien ab, weniger aus Menschenliebe als vielmehr, um Frankreich die Loyalität der Befreiten im Kampf gegen Spanien und England zu sichern, die ihre Chance zur Intervention in der Karibik witterten. Dieser Plan Frankreichs ging zunächst auf, und der Anführer der Aufständischen Toussaint Louverture arbeitete mit Napoleon Bonaparte zusammen, nachdem dieser 1799 zum ersten Konsul gewählt worden war. Dann aber erließ Louvertüre 1801 eine Verfassung, die eindeutig festschrieb, dass ein Mensch nicht Eigentum eines anderen sein kann. Zudem ließ er sich als Herrscher auf Lebzeit bestätigen, und zwar ohne Napoleons Zustimmung einzuholen. Das ging dem ersten Konsul in Paris entschieden zu weit: Er führte am 20. Mai 1802 die Sklaverei in den französischen Kolonien wieder ein, die auf den benachbarten Inseln Martinique und Guadeloupe in der Tat bis 1848 fortbestand. Nach Saint Domingue schickte er seinen Schwager Charles Leclerc mit 20.000 Soldaten, um die französische Herrschaft und mit ihr die Sklaverei wiederherzustellen. Nach anfänglichen Erfolgen der Franzosen konnten sich aber die Aufständischen unter Louvertures Nachfolger Jean-Jacques Dessalines allerdings durchsetzen. Sie erklärten am 1. Januar 1804 ihre Unabhängigkeit und Dessalines rief sich zum Kaiser eines Nationalstaates aus, der sich Haiti nannte. Hierbei handelt es sich um den einzigen dauerhaft erfolgreichen Sklavenaufstand in der Geschichte. Er sicherte nicht nur einer halben Million Menschen die Freiheit, sondern hatte auch enorme Signalwirkung auf andere Kolonien und die Sklavenhaltergesellschaft der USA. Es gelang allerdings nicht, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Haiti dauerhaft miteinander auszusöhnen, sodass bewaffnete Konflikte die nächsten Jahrzehnte prägten.

Mittel- und Südamerika mit den Grenzen von ca. 1825 im Dierke-Atlas. Die Inseln Haiti und Aruba wurden hervorgehoben. (Diercke Weltatlas: Mittel- und Südamerika – Nationalstaaten um 1825 (Ende der Befreiungskriege)
Mittel- und Südamerika – Staaten, online verfügbar unter: https://diercke.de/content/mittel-und-s%C3%BCdamerika-nationalstaaten-um-1825-ende-der-befreiungskriege-100849-160-2-1 (zuletzt abgerufen am 19.09.2024)).

Im Laufe der Kämpfe vor 1804 wurden die meisten Weißen Bewohner*innen getötet oder gewaltsam von der Insel vertrieben. Die neue Regierung Haitis verbot am 20. Mai 1805 den Grundbesitz für Weiße, mit Ausnahme von ehemaligen deutschen Siedler*innen, eingebürgerten Witwen und polnischen Soldaten (den sog. „Sturmvögeln der Revolution“, die überall mitmischten, wo es gegen die Restauration zu kämpfen galt), die im Laufe der Kampfhandlungen zu den Aufständischen übergelaufen waren.[15] Diese Personen wurden per Gesetz zu Schwarzen erklärt, eine Bezeichnung, die in diesem Kontext also nicht die Hautfarbe, sondern den politischen Status bezeichnete.[16]

In diese Kategorie dürfte auch Erasmus Krugen gehört haben, von dem wir im Stück erfahren, dass er vor seiner Tätigkeit als Pflanzer auf St. Domingue/Haiti als Kaufmann in Hamburg gearbeitet hatte.[17] Die genannten historischen Zusammenhänge dürften dem Paderborner Publikum durchaus präsent gewesen sein, hatten die lokalen Zeitungen doch über die karibischen Kriege Frankreichs sehr wohl berichtet, wie z.B. das Paderborner Intelligenzblatt vom 18. Februar 1804[18] sowie vom 10. März 1804[19]. In der letzteren Ausgabe wurden die Regierenden auf Haiti vereinzelt als „wild“, „unwissend“ und „völlig unfähig“ charakterisiert und die erfolgreichen Aufständischen herabgesetzt.[20] Dass Haiti Ort gewaltsamer Auseinandersetzung zwischen Schwarzen und Weißen gewesen waren und dass dort nun der erste und einzige Schwarze Nationalstaat der Welt existierte, das zumindest dürften die Paderborner gewusst haben. Weil uns der Text fehlt, können wir nicht genau ermitteln, für was die Kinderräuber sich denn rächen wollten; im Kontext der massiven gesellschaftlichen Spannungen und gewaltsamen Auseinandersetzung können wir uns aber diverse Konstellationen vorstellen, die eine solche Rache hätten motivieren können. Jedenfalls, so lässt sich sicher sagen, war Rache im Stück das Motiv der Schiffsbesatzung zum Kindsraub.

Die Gruppe der Schiffsbesatzung im Stück bestand vorwiegend aus people of colour: neben „Nǝƃǝɹ Schiffs Capitän [sic!] Defsa Gafsava“[21], welcher später auch das Kind raubte,[22] wurden Plantagenarbeiter und andere Bewohner der ländlichen Gegenden Haitis genannt. Es ist davon auszugehen, dass die komische Wirkung des Stücks in erster Linie durch die Verunglimpfung der lateinamerikanischen Freiheitsbewegungen einerseits und die lächerliche Darstellung der gescheiterten Schwarzen Kindesräuber andererseits erzeugt wurde. Zudem lässt sich vermuten, dass die people of colour durch unchristliche und negativ konnotierte Emotionen wie z.B. ihre Rachsucht charakterisiert wurden. Außerdem wurden sie offenbar als so dumm dargestellt, dass sogar ein Affe ihnen ihre Beute wieder abjagen konnte. Unter der Besatzung gab es allerdings auch einige wenige Weiße Personen, möglicherweise ehemalige und gestrandete Kämpfer aus den Unabhängigkeitskriegen der Region.[23] Diese scheinen durch das Zusammenleben mit den Schwarzen jedoch so moralisch verdorben, dass sie sich dem Kindsraub nicht widersetzten oder sogar daran mitwirkten – um die Details in der Zeichnung der Charaktere herausarbeiten zu können, bräuchten wir den Text. Gut vorstellbar wäre auch, dass der Freiheitsdurst der Weißen Freiheitskämpfer in komischen Gegensatz zu dem der Schwarzen gestellt wurde.

Das Lächerlich-Machen der people of colour spielte mit rassistischen Stereotypen, die sich auch in der internationalen Missachtung der Schwarzen Republik ab 1804 äußerten. Die Nachbarstaaten betrachteten den Erfolg der Aufständischen einerseits als Provokation, andererseits aber auch als gefährlichen Glutpunkt, von dem aus revolutionäre Ideen und Praktiken auf das eigene Territorium überspringen konnten.[24] Zweifel und Ablehnung der Souveränität der afrokaribischen Nation waren deshalb weit verbreitet.[25] Dies war mit ein Grund dafür, dass der junge Staat zwar Abnehmer für seine Exportwaren (Zucker, Baumwolle und andere Kolonialwaren) fand, aber nie zur wirtschaftlichen Prosperität zurückkehren konnte. Die Reparationen in Höhe von 150 Mio. Goldfrancs, die Haiti noch bis ins Jahr 1947 an Frankreich bezahlen mussten, waren ein weiterer Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung, die viele Weiße Zeitgenoss*innen jedoch den mangelnden Fähigkeiten und Fertigkeiten der Haitianer*innen anlasteten. Die rassistischen Stereotype waren extrem zäh: noch mehr als ein Jahrhundert später, im Jahr 1915, betrachteten und behandelten die US-amerikanischen Besatzer*innen Haitis die Einwohner*innen als „Unmündige [..], die weißer Führung bedurften, um ein modernes Staatswesen zu begründen“.[26]

Domi, der amerikanische Affe brachte also die „exotische“ Welt der Karibik ins ländliche Paderborn, es bediente die Neugierde der Paderborner*innen auf die Fremde und die Fremden. Allerdings wurden die Bewohner*innen der Karibik keineswegs als gleichberechtigt oder gleichwertig dargestellt, sondern rassistische Stereotype dienten dazu, eine klare soziale Hierarchie zwischen Weißen und Schwarzen Menschen zu konstruieren. Im Stück war es die Hautfarbe, die Charakter, Fähigkeiten und kulturelle Entwicklung der Menschen bestimmte. Das Handeln des deutschen Kaufmanns wurde durch dieses angebliche Gefälle legitimiert, auch wenn die Rassenlehre des 18. Jahrhunderts sich von der des späten 19. Jahrhunderts deutlich unterscheidet.[27] Dass für den Transport dieser rassistischen Stereotype ausgerechnet das Motiv des Raubes eines Weißen Kindes gewählt wurde, während gleichzeitig zahlreiche Schwarze Kinder auch gegen den Willen ihrer Eltern nach Europa und in die Region Paderborn verschleppt wurden (vgl. Blogbeiträge zu Wilhelm Liborius Endormiro und Allagabo Timm), ist ein bemerkenswertes Phänomen. Nicht vergessen dürfen wir zudem, dass das Stück zu einer Zeit aufgeführt wurde, als viele Westfälinnen*Westfalen ihre Heimat in Richtung USA oder Südamerika verließen, um der Armut und den politischen Restriktionen im preußischen Westfalen zu entkommen und anderswo ein besseres Leben zu suchen [28]– den im Theaterstück transportierten Rassismus nahmen sie dorthin mit.


[1] Deutsche Biographie: Told, Franz Xaver, URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz82790.html (letzter Zugriff am: 07.08.2024).

[2] Unter einem Melodrama versteht man ein Schauspiel, welches durch Musik untermalt wird. Siehe: Duden: Melodrama, URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Melodrama (letzter Zugriff am: 07.08.2024).

[3] Siehe Abbildung Theater Düsseldorf; in der ersten Originalfassung wurde Domi als „brasilianischer Affe“ bezeichnet: Siehe: Deutsche Biographie: Told, Franz Xaver.

[4] Ebd.

[5] Österreichisches Musiklexikon online: Müller, familie, URL: https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_M/Mueller_Familie_1.xml (letzter Zugriff am: 07.08.2024).

[6] Wien Geschichte Wiki: Adolf Müller senior, URL: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Adolf_Müller_senior#tab=Auszeichnungen (letzter Zugriff am 02.09.2024).

[7] Abbildung Theater Düsseldorf.

[8] Agger-Blatt 1836 (38), S. 4, URL: https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/2936711 (letzter Zugriff am: 08.08.2024).

[9] Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt 1833 (71), S. 284, URL: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=sam&datum=18330613&seite=4&zoom=33 (letzter Zugriff am: 08.08.2024).

[10] Im Kontext dieser Arbeit werden die Begriffe „Schwarz“ und „Weiß“ durchgängig großgeschrieben. Hierdurch soll deutlich gemacht werden, dass es sich um politische Festlegungen handelt und nicht um biologische Tatsachen. Von rassistischen Bedeutungszuschreibungen distanziert sich der Autor explizit. Siehe: Buggeln, Marc: Der welthistorische Ort der Haitianischen Revolution (1791-1804), in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 2023 (2), S. 105-128, hier: S. 107.

[11] Siehe Abbildung: Theater Paderborn. Leider war es trotz intensiver Bemühungen nicht möglich, den vollständigen Text der Komödie aufzufinden, sondern nur eine Zusammenfassung. Lediglich die Noten zum Stück befinden sich in der österreichischen Nationalbibliothek in Wien.

[12] Kempe, Michael: Schrecken der Ozeane. Eine kurze Globalgeschichte der Piraterie, in: Bundeszentrale für politische Bildung, veröffentlicht am: 22.11.2012, URL: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/149607/schrecken-der-ozeane-eine-kurze-globalgeschichte-der-piraterie/ (letzter Zugriff am: 21.08.2024).

[13] Ebd.

[14] Zum Folgenden vgl. Buggeln, Marc: Der welthistorische Ort der Haitianischen Revolution (1791-1804), in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 2023 (2), S. 105-128.

[15] Buggeln 2023, S. 121. Nach einem gescheiterten Aufstand gegen Preußen und Russland in Polen 1795 sind viele Pol*innen nach Frankreich ausgewandert. Dort wurde eine polnische Legion aufgestellt, welche die französischen Truppen in Kampfhandlungen gegen Österreich und Russland in Italien und später auch auf Haiti unterstützten.

[16] Ebd., S. 121.

[17] Siehe: Abbildung: Theater Düsseldorf sowie Abbildung: Theater Paderborn.

[18] Siehe: Paderborner Intelligenzblatt 1804 (7), S. 7-8.

[19] Siehe: Paderborner Intelligenzblatt 1804 (10), S. 5.

[20] Ebd.

[21] Theatermuseum: Szenenbild: Domi, der amerikanische Affe oder Nǝƃǝɹ-Rache.

[22] Siehe: Theatermuseum: Szenenbild: Domi, der amerikanische Affe oder Nǝƃǝɹ-Rache, URL: https://www.theatermuseum.at/online-sammlung/detail/964743/ (letzter Zugriff am: 07.08.2024).

[23] Theatermuseum: Szenenbild: Domi, der amerikanische Affe oder Nǝƃǝɹ-Rache.

[24] Gliech, Oliver: Haiti – Die „erste schwarze Republik“ und ihr Koloniales Erbe, in: Bundeszentrale für politische Bildung, veröffentlicht am: 05.07.2010, URL: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32627/haiti-die-erste-schwarze-republik-und-ihr-koloniales-erbe/#footnote-target-1 (letzter Zugriff am: 21.08.2024).

[25] Ebd.

[26] Ebd.

[27] Siehe dazu: Buggeln 2023, S. 107. Historisch betrachtet geht die Sklaverei dem Rassismus voraus. Im Laufe der Zeit wurden rassistische Motive jedoch vermehrt benutzt, um Sklaverei und Unterdrückung zu rechtfertigen.

[28] Siehe dazu: Emmerich, Alexander: Little Germany. Deutsche Auswanderer in Nordamerika, Frankfurt a.M. 2019, S.16.

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Missionsschwestern vom Kostbaren Blut (Mariannhiller Missionsschwestern): Neuenbekens Rolle in der Mission

Die Missionsschwestern vom Kostbaren Blut, auch bekannt als Mariannhiller Missionsschwestern (Ordenskürzel CPS für congregatio pretiosi sanguinis), sind eine  katholische Gemeinschaft mit Wurzeln im späten 19. Jahrhundert. Die Gründung der Missionsstation und der Aufbau der Kongregation geht auf den Trappistenmönch Franz Pfanner zurück, der neben männlichen Mönchen auch Frauen in sein Missionsvorhaben in Mariannhill, in der Nähe der Hafenstadt Durban in Südafrika, einbezog. Pfanner, der zunächst das Trappistenkloster Maria Stern in Banja Luka gegründet hatte, zog Anfang der 1880er Jahre mit einer Gruppe von Trappisten aus dem Kloster im heutigen Bosnien und Herzegowina nach Südafrika, um dort auf Bitten eines ansässigen Bischofs hin ein weiteres Kloster aufzubauen. 1882 gründete er die Missionsniederlassung in Mariannhill.[1] Da sich die streng durch Traditionen und Vorschriften reglementierte Lebensweise der Trappisten rasch als hinderlich für die Mission erwies, gründete Pfanner im Jahr 1885 eine eigenständige Missionskongregation, die der Missionsschwestern vom kostbaren Blut. Ihr Engagement ist bis heute weltweit sichtbar. Einer ihrer zentralen europäischen Standorte liegt in Neuenbeken in unmittelbarer Nachbarschaft zu Paderborn. Die Missionstätigkeit der Schwestern vom kostbaren Blut ist zu verstehen als Bestandteil sich intensivierender christlicher Missionsbestrebungen in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, sowohl von katholischer als auch von protestantischer Seite und oft auch in Konkurrenz zueinander.[2] Konzentrierten die Missionen sich um die Jahrhundertmitte noch vornehmlich in den jungen USA, so traten später insbesondere die europäischen Kolonien in den Vordergrund.[3]

Abt Franz mit den Missionsschwestern in Mariannhill 1886. Quelle: Buschgerd, Gute Erde, S. 39.

Erinnerung an den Gründer Franz Pfanner

Warum aber sollten Frauen in das ursprünglich von trappistischen Mönchen ausgeführte Missionsvorhaben in Südafrika einbezogen werden? Der Gründer Franz Pfanner erkannte rasch die Bedeutung karitativer und sozialer Tätigkeiten, die nicht realisierbar waren durch Mönche, die ein zurückgezogenes Leben hinter Klostermauern führten. Sie sollten vielmehr von Schwestern übernommen werden, die durch die katholische Erziehung von Mädchen und Frauen den Grundstein für die Bildung christlicher Familien legten. Diese Deutung der eigenen Aufgabe ist tief im Selbstverständnis der Schwestern verwurzelt. So beschrieb eine Schwester im Jahr 2006 die Umstände der Gründung der Kongregation folgendermaßen:

„Unser Sifter, der hat ja mit Männern angefangen in Mariannhill. Der hat da 300 Mönche gehabt und die haben sehr bald eine Schule angefangen, und dann in der Schule waren Buben, und der Stifter hat gesagt, warum keine Mädchen, ja. Und die Frauen [aus der Umgebung der Missionsstationen] sind dann gekommen: ‚Wir bräuchten auch was’. Und aus dieser Idee heraus, dass Frauen auch missioniert werden sollen, hat er gesagt: ‚Ich muss Schwestern haben.‘“[4]

Aus seiner überlieferten Wertschätzung der weiblichen Missionsarbeit speist sich bis heute die Verehrung für ihren Gründer, die in der Erinnerungskultur der Missionsschwestern fest verankert ist:

„Wenn es in der neueren Missionsgeschichte einen Revolutionär gab, dann war es Franz Pfanner von Mariannhill. Er war umstürzlerisch sondergleichen, eine Trappistenabtei mit einer Kette von Missionsstationen zu umgeben, d.h. beschauliche Mönche für aktive Missionsarbeit „einzuspannen“ (sein Wort) und noch gewagter, Frauen einzuladen, ihnen dabei zu helfen um sie letztendlich zu ersetzen. […] Er reagierte mit einem umfassenden Siedlungsprogramm und einem Missions-Konzept, das zu seiner Verwirklichung Frauen erforderte. Missionarisch gesinnte Frauen sollten die afrikanischen Mädchen und Frauen und mit ihnen die Familien als die Träger einer neuen christlich geprägten Gesellschaft heranbilden.“[5]

Die wöchentliche Versammlung der Trappisten im Kapitelsaal. Quelle: Buschgerd, Gute Erde, S. 35.

Dem ersten Aufruf von Pfanner folgten zunächst fünf Frauen aus verschiedenen Teilen Deutschlands und aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, die am 1. September 1885 als Missionshelferinnen in Mariannhill ankamen. Den Tag der Einführung der Missionshelferinnen, den 8. September 1885, begehen die Schwestern als Tag der Gründung der Kongregation. Sr. Paula Emunds (1887 eingetreten) galt als prägende Figur der Anfangsjahre und wurde 1907 zur ersten Generaloberin ernannt. Ihr vorrangiges Bestreben war es, Pfanners Visionen in die Realität umzusetzen. Unter harten Lebens- und Arbeitsbedingungen bauten die Schwestern mit primitiven Werkzeugen und Hilfsmitteln die Missionsniederlassung weiter aus, stellten Bildungsangebote bereit und nahmen den nicht immer einfachen Kontakt (vor allem auch aufgrund der Sprache) zur Bevölkerung vor Ort auf, unter großen persönlichen Opfern und mit bemerkenswertem Engagement. Allgemeiner Unterricht und handwerkliche Ausbildung wurden zu zentralen Tätigkeitsfeldern. Die Missionsschwestern folgten ihrem Auftrag „[…] die menschenfreundliche, erlösende Liebe Christi im Alltag zu leben und mit ihrem Leben eine Botschaft der Freude, der Hoffnung und Versöhnung zu geben.“[6] Den christlichen Glauben vermittelten sie nach Vorgabe des Gründers durch Familien- und Krankenbesuche, Armut und Enthaltsamkeit sowie ihr vorbildliches Gemeinschaftsleben.

Mission im Kontext der Kolonisierung

In welchem politischen Kontext fand diese Mission statt? Im Gebiet der sog. Kapkolonie im südlichen Afrika hatten sich im 17. Jh. zunächst Niederländer niedergelassen, ab 1795 übernahmen, mit kurzen Unterbrechungen, die Engländer die Herrschaft.[7] Die Missionar*innen der verschiedenen Glaubensgemeinschaften – hier und in anderen Kolonien weltweit[8] – mussten mit den politischen Machthabern kooperieren, um ihre selbst gesetzten Aufgabe erfüllen zu können. Wie diese Kooperation im Fall der Missionsschwestern aussah, ist nicht gut erforscht. Immer diente die Mission jedenfalls auch zur Legitimation kolonialer Herrschaft im Sinne einer „Zivilisierungsmission“[9]: Die Kolonialherren argumentierten, sie würden die Voraussetzungen schaffen für die Tätigkeit der Missionar*innen, die zu einer religiösen und kulturellen Hebung der Einheimischen führen sollten. Ende des 19. Jhs. weit verbreitete Vorstellungen von der Existenz von Menschenrassen, ihrer Höher- oder Minderwertigkeit legitimierten solche Herrschaftsansprüche pseudowissenschaftlich. Auch die Missionsschwestern vom kostbaren Blut waren, ebenso wenig wie viele ihrer Zeitgenossen, nicht vor solchen rassistischen Stereotypen gefeit, wie die Analyse ihrer Zeitschrift „Vergissmeinnicht“, hier aus dem Jahr 1936, verdeutlicht: „P. Franz und seine Mitarbeiter erkannten ganz richtig, daß die gewöhnliche Lebensweise der Zulustämme mit ihrer Trägheit, ihren barbarischen Sitten und ihrem Aberglauben unmöglich die Basis bilden könne für den Aufbau einer christlichen Gemeinschaft […].“[10] Den zu Missionierenden wurden hier aus der Rückschau negative Eigenschaften auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit zugeschrieben, um die Mission zu rechtfertigen – eine Legitimationsstrategie, die in der Kolonialzeit, aber auch weit bis ins 20. Jahrhundert hinein weit verbreitet war.

„Zivilisierungsmission in der Praxis“: Zwei Missionsschwestern leiten die
handwerkliche Ausbildung einheimischer Frauen in der Schustereiwerkstatt nach
europäischem Vorbild. Nur eine der Missionsschwestern blickt direkt in die Kamera
– eine subtile Inszenierung der Hierarchie. Quelle: Buschgerd, Gute Erde, S. 56.

Wie die Bevölkerung in der Umgebung von Mariannhill und der Missionsniederlassung auf die Missionarinnen reagierte, ist aus den Quellen schwer zu rekonstruieren, weil die Missionierten kaum schriftliche Zeugnisse hinterlassen haben, bzw. diese bisher nur schwer zugänglich sind. Briefe, Tagebücher und die publizierten Missionsblätter[11] der Schwestern lassen jedoch darauf schließen, dass die Reaktionen unterschiedlich ausfielen: Während manche Familien gerne ihre Töchter zu den Schwestern gaben, die Bildungs- und Ausbildungsangebote nutzten und sich zum christlichen Glauben bekehrten, gab es auch Widerstände. Ziel der Schwestern der Anfangszeit war es, typisch für die Zeit[12], möglichst viele „Heiden“ zu taufen, um ihre Seelen zu retten.[13] Die Unterstützung bei einer freiwilligen, selbstbestimmten Bekehrung zum christlichen Glauben, wie sie dem heutigen Verständnis der Mission der Kongregation entspricht, war dem zuweilen untergeordnet, wie z.B. ein Bericht von Schwester Arnoldine aus dem Jahr 1902 aus der Missionszeitschrift „Vergissmeinnicht“ eindrücklich belegt: Sie schildert darin eine Missionsfahrt im Einbaum auf dem Ruki, einem Nebenfluss des Kongo in der heutigen Republik Kongo. Ziel der Fahrt war die Taufe möglichst vieler Einheimischer, insbesondere Kranker und Sterbender, die auf diese Weise vor der „ewigen Verdammnis“ bewahrt werden sollten. Die Taufwilligkeit war für die Schwestern nicht ausschlaggebend: „Wir wurden nur zu wenigen Kranken bereitwillig zugelassen. In einem Haus musste ich den Eingang bewachen, während Schwester Pia eine Kranke unterrichtete und taufte. Die alte Mutter derselben war außer sich vor Wut und warf im Zorn einen Topf entzwei, mit dem wir das Wasser zur hl. Taufe geholt hatten – doch zum größten Vergnügen unserer Frauen hatte sie den falschen Topf hingeworfen und darum flog, als sie den Irrtum bemerkte, auch der zweite Topf in Stücke, worüber die Alte zum Schluss noch gehörig ausgelacht wurde.“ Ein anderes totkrankes Mädchen, dass die Schwestern zum Taufen mitnahmen, jagten dem Bericht zu Folge Männer ihres Heimatdorfes ihnen auf der Rückfahrt mit dem Einbaum wieder ab, worüber die Schwestern „ganz betrübt“ gewesen seien.[14] Erst mit dem Vatikanischen Konzil (1963-65) wandelte sich das Missionsverständnis der katholischen Kirche und auch der Missionsschwestern vom kostbaren Blut grundlegend hin zu einer Missionierung und einem Zusammenleben „auf Augenhöhe.“ Veränderungen in den Missionsländern im Prozess der Dekolonisierung der 1950er und 1960er Jahre spielten bei dieser Entwicklung eine wichtige Rolle und viele Vorkämpfer*innen der Dekolonialisierung beriefen sich sogar explizit auf christliche Werte, um ihre Forderung nach Selbstbestimmung zu rechtfertigen.

„Sr. Philippine und die ersten missionierten Schülerinnen der Missionsniederlassung
Mariannhill 1885: Die bewusst arrangierte Anordnung hebt die zentrale Rolle
der Schwester hervor, während die Schülerinnen in gereihter Formation die
eindeutigen Hierarchien verdeutlichen. Quelle: Buschgerd, Gute Erde, S.31

Mariannhill – Neuenbeken?

Wie aber kam die Verbindung nach Neuenbeken bei Paderborn zustande? Die Etablierung von Niederlassungen in Europa wurde notwendig, um die Verwaltung, den Austausch und die Leitung effizienter zu organisieren, Hilfsmittel sicherzustellen und die Ausbildung des Nachwuchses zu fördern. Nachdem eine erste Gründung in Kirchherten 1902 wieder aufgegeben werden musste, gründeten die Schwestern 1904 das Mutterhaus „Heilig Blut“ in Aarle-Rixtel in der Nähe von Helmond in den Niederlanden. 1909 entstand eine Niederlassung in Diefflen, Deutschland, wo der Fokus auf dem sozial-karikativen Engagement lag und eine ambulante Krankenpflege für Tuberkulosekranke sowie eine Säuglingsstation aufgebaut wurden.

Über Schwester Alexandra Jöres, die vor ihrem Eintritt in den Orden Lehrerin in Paderborn und Umgebung gewesen war, entstand auch der Kontakt nach Paderborn. Der Paderborner Bischof Josef Schulte stand dem Anliegen der Gründung einer Niederlassung wohlwollend gegenüber, und der damalige Pfarrer von Neuenbeken, Pastor Banneyer, unterstützte es ebenfalls, trotz der diversen auch rechtlichen Schwierigkeiten in der Nachwirkung des Kulturkampfes. Nach Prüfung mehrerer Immobilien fiel die Wahl im Jahr 1914, zu Beginn des Ersten Weltkrieges, auf den zum Verkauf stehenden ehemaligen Gutshof von Wilhelm Bussen in Neuenbeken. 1915 wurde dort eine Nähschule errichtet und ein Lazarett zur Pflege Verletzter. Es folgten Kindergarten und Erholungsheim, ab 1926 eine Haushaltungsschule, die sich später zu einer Berufsfachschule und Pflegeschule entwickelte.[15] Zeitgleich erfolgte die Gründung der „Missionsschule“, die auf das sog. „Oxford-Examen“ vorbereitete, das in Abhängigkeit von der Universität Oxford und durch einen vor dort bestätigten Kommissar abgenommen wurde. Hier lernten zwischen 1926 und 1971 junge Frauen zwischen 13 und 20 Jahren, die in die Gemeinschaft eintreten und sich auf missionarische Tätigkeiten vorbereiten wollten. Nach dem Abitur hatten sie die Möglichkeit, an Fachhochschulen und Universitäten weltweit, auch in den Missionsländern, zu studieren, um z.B. Lehrerinnen zu werden. Nachdem die Nationalsozialisten die Schule 1940 geschlossen hatten („Der Führer hat kein Interesse an Missionsschulen“), wurde sie 1946 wieder eröffnet, und in dieser zweiten Wirkungszeit legten auch einige Schwestern aus verschiedenen afrikanischen Ländern hier ihr Abitur ab. Erst 1971 musste die Schule aufgrund mangelnder Neuanmeldungen wiederum geschlossen werden, nachdem hier seit der Gründung insgesamt 471 Schwestern gelernt hatten. 190 von ihnen gingen von Neuenbeken aus in die verschiedenen Missionsländer und hielten danach weiter enge Kontakte. Ein kleines Missionsmuseum, das nach telefonischer Absprache besichtigt werden kann, beherbergt ihre kunsthistorisch interessanten Mitbringsel und Geschenke aus den Missionsländern.

Eine Ausgabe des „Vergissmeinnicht“ erstmals mit Schwestern auf der Titelseite, 1887.
Quelle: Buschgerd, Gute Erde, S.50.

Nach der Schließung entstand ein Bildungshaus, das ordenseigene Seminare für Einzelpersonen und Familien anbot. 2014 wurde das Gebäude in ein nach Franz Pfanner benanntes Gästehaus umgewandelt, das bis heute Gästen Unterkunft bietet. Der Schwerpunkt des Missionshauses in Neuenbeken liegt in der Gegenwart auf geistlicher Begleitung, Trauerbegleitung und Exerzitien. Es dient auch als gemeinsamer Ort für Schwestern, die von ihren Einsätzen zurückkehren, und bietet Unterstützung im Alter und bei Krankheit. Derzeit leben etwa 85 Schwestern in Neuenbeken. Weltweit sind mehrere hunderte Schwestern in über 95 Niederlassungen auf allen Kontinenten aktiv.

Die Erinnerung an die Geschichte der Kongregation und insbesondere an die Gründerjahre spielt im Gedächtnis und Selbstverständnis der Missionsschwestern eine zentrale Rolle. Vor dem Hintergrund des großen charitativen Engagement der Schwestern damals wie heute ist es eine echte Herausforderung, aus heutiger Sicht problematische Einstellungen und Praktiken der Missionstätigkeit vor dem Zweiten Weltkrieg zu hinterfragen und sich gegebenenfalls davon zu distanzieren. Dieser kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen kolonialen Erbe stellen sich die Missionsschwestern vom kostbaren Blut, indem sie die wissenschaftlich-historische Auseinandersetzung mit ihrer Ordensgeschichte ermöglichen und unterstützen.


[1] Vgl. Missionsschwestern vom Kostbaren Blut: Gemeinschaft – Historie, in: CPS Mission, https://www.cps-mission.com/gemeinschaft/historie-1/, Zugriff am 08. Juni 2024. Pfanner verschrieb sich der „Kostbar-Blut Verehrung“ und wird wie folgt wörtlich zitiert: „Ihr sollt das Blut Christi fruchtbar machen.“ Buschgerd betont: „Nicht ihr eigenes Blut war gefordert, sondern das Blut Dessen, der allein erlöst. Ihr Blut, ihr Schweiß und ihre Tränen waren nur dann fruchtbar, wenn sie in Vereinigung mit Christi Schweiß, Blut und Tränen vergossen wurden“ (vgl. Sr. M. Annette Buschgerd: Gute Erde. Missionsschwestern vom Kostbaren Blut. Pionierinnen: 1885 – 1910, 2017, S. 19).

[2] Siehe Gründer, Horst: Christliche Mission und deutscher Imperialismus 1884-1914. Eine politische Geschichte ihrer Beziehungen während der deutschen Kolonialzeit (1884 – 1914) unter besonderer Berücksichtigung Afrikas und Chinas, Paderborn 1982; Sievernich, Michael: Katholische Mission, in: Europäische Geschichte Online (EGO), 2011, https://www.ieg-ego.eu/de/threads/europa-und-die-welt/mission/michael-sievernich-katholische-mission, Zugriff am 12.07.2024; Feldtkeller, Andreas: Protestantische Mission, in: Europäische Geschichte Online, 2013, https://www.ieg-ego.eu/de/threads/europa-und-die-welt/mission/protestantische-mission, Zugriff am 12.07.2023.

[3] Siehe Sievernich, Michael: Christliche Mission, in: Europäische Geschichte Online, 2011, https://www.ieg-ego.eu/de/threads/europa-und-die-welt/mission/michael-sievernich-christliche-mission, Zugriff am 13.07.2024; Maier, Bernhard: Die Bekehrung der Welt. Eine Geschichte der christlichen Mission in der Neuzeit, München 2021.

[4] Interview mit Schwester Luisa T., Jg. 1930, zitiert nach: Gugglberger, Martina: Reguliertes Abenteuer. Missionarinnen in Südafrika nach 1945, Wien, Köln, Weimar 2014 (L’Homme Schriften 22), S.63. Hinweis: In der Anfangszeit waren es in der Realität viel weniger Mönche, als die Schwester es hier erinnert.

[5] Buschgerd: Gute Erde, S. 16 u. 22.

[6] Missionsschwestern vom Kostbaren Blut: Gemeinschaft – Historie. 

[7] Vgl. Linder, Ulrike: Koloniale Begegnungen. Deutschland und Großbritannien als Imperialmächte in Afrika 1880-1914, Frankfurt am Main 2011(Globalgeschichte 10), S. 114.

[8] Neben Südafrika erfolgte die Gründung weiterer Missionsstationen in Afrika, unter anderem im Kongo und Deutsch-Ostafrika (1898), in Kenia (1908) und Südrhodesien (1909). Auch in Asien und dem australischen Kontinent lassen sich weitere Standorte der Kongregation finden, unter anderem in Papua-Neuguinea (1948) und Südkorea (1986).

[9] Siehe Osterhammel, Jürgen: Vom Umgang mit dem „Anderen“. Zivilisierungsmissionen – in Europa und darüber hinaus, in: Barth, Boris, Bührer, Tanja et al. (Hg.): Das Zeitalter des Kolonialismus, Darmstadt 2007, S. 45-54; Eckert, Andreas: Labor der Gewalt? Europäische Imperien und koloniale Kriege, in: Stock, Günther, Markschies, Christoph und Hauer, Susanne: Zukunftsort Europa, Berlin, München, Boston 2015, S. 31-42.

[10] Vergissmeinnicht, Januar 1936, 54. Jahrgang, S. 17.

[11] Buschgerd zitiert in ihrem Buch Tagebucheinträge und Briefe von verschiedenen Schwestern, u.a. Sr. Engelberta und M. Paula. Pfanner förderte die Missionspublizistik, was die in Mariannhill produzierten Zeitschriften belegen: es erschienen die Missionsblätter „Fliegende Blätter“ (1882–1884) und später „Ein Vergissmeinnicht aus Mariannhill“ (ab 1885; ab 1888 nur noch „Vergissmeinnicht“) sowie die „Caritas-Blüten“ und das „Missionsglöcklein“, eine Zeitschrift für Kinder.

[12] Siehe Stornig, Katharina: Sisters crossing boundaries: German missionary nuns in colonial Togo and New Guinea, 1897–1960, Göttingen 2013 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, 232); ‚All for the greater glory of Jesus and the salvation of the immortal souls!’: German missionary nuns in colonial Togo and New Guinea, 1897-1960, Florenz 2010.

[13] Buschgerd beschreibt das Bestreben der Schwestern: „Die Spiritualität der Roten Schwestern sollte missionarisch sein, immer mit dem Ziel der ‚Seelenrettung‘.“ (Gute Erde, S. 99). Die eigentliche Missionstätigkeit stellte sich jedoch als große Herausforderung heraus, wie ein Tagebucheintrag oder Ausschnitt eines Briefes von Sr. Engelberta belegt: „Wir mussten um fast jede Seele kämpfen, die wir für den hl. Glauben gewinnen wollten.“ (zitiert nach ebd., S. 45).

[14] Schwester M. Arnoldine Falter, Brief aus Bamania, 23.8.1902, abgedruckt im Vergissmeinnicht 1.3.1903, zitiert nach Buschgert, Gute Erde, S. 332-335.

[15] Vgl. Missionsschwestern vom Kostbaren Blut: Geschichte des Missionshauses in Neuenbeken, in: CPS Mission, https://www.missionshausneuenbeken.de/missionshaus/geschichte, Zugriff am 09. Juni 2024.

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Abenteuer Down under – Der Paderborner Australien-Auswanderer Wilhelm Brahe (1835-1912)

Der Name Wilhelm Brahe ist heute in Paderborn ebenso unbekannt wie die Tatsache, dass er an der wohl berühmtesten Forschungsreise der australischen Entdeckungsgeschichte teilgenommen hat, der von Robert O’Hara Burke (1821-1861) und William John Wills (1834-1861) geleiteten Victorian Exploring Expedition. Überhaupt sind für das 19. Jahrhundert nur sehr wenige personelle Verbindungen von Paderborn zum fünften Kontinent bekannt. Die vielleicht noch prominenteste Figur ist der gebürtige Paderborner Henry Backhaus (1812-1882), der 1836 in Rom zum Priester geweiht und 1846 nach Zwischenstationen in Indien, Irland, Singapur und Indonesien nach Australien gekommen war, wo er als Missionar auf Goldgräberfeldern wirkte.[1] Der Botaniker Wilhelm Hillebrand (1821-1886), zeitweilig in Paderborn als Arzt tätig, hat sich lediglich vorübergehend und nur für kurze Zeit in Australien aufgehalten.[2]

Wer also war dieser Wilhelm bzw. William Brahe und welche Beziehungen hatte er zu Paderborn? Die Brahes waren eine alte und verzweigte Bielefelder Handwerkerfamilie, die vielleicht im 16. Jahrhundert aus Brabant zugezogen war.[3] Anfang der 1820er-Jahre tauchte mit dem 1797 geborenen Wilhelm August Brahe ein Mitglied dieser Familie in Paderborn auf. Er begann als Kanzlist beim Königlich Preußischen Oberlandesgericht und stieg in den folgenden Jahrzehnten die Karriereleiter bei der Justizverwaltung hinauf, er war zunächst Registrator und dann Rendant und ist als Rechnungsrat pensioniert worden; Er gehörte als sozialer Aufsteiger zur in Paderborn schwach ausgeprägten bürgerlichen Mittelschicht. 1862 erhielt Wilhelm August Brahe den Roten Adler-Orden 4. Klasse. Er starb 1864.

Im Oktober 1822 hatte Wilhelm August Brahe geheiratet: Maria Anna Berendes (1798-1858) war die Tochter eines Paderborner Landwirts und natürlich katholisch, im Gegensatz zum Bräutigam, der im Kirchenbuch als „acatholicq“, also evangelisch, bezeichnet wird. Zwischen 1823 und 1844 wurden insgesamt neun Kinder geboren (und katholisch getauft). Wohneigentum hat Wilhelm August Brahe nicht erworben, die Familie lebte in den 1830er-Jahren zur Miete im ehemaligen Haus Gleseker am Markt. Von den Kindern sind für uns vor allem zwei interessant: Der 1825 geborene Alexander wanderte 1848/49 nach Australien aus. Der am 16. Januar 1835 geborene Wilhelm – unsere Hauptperson – folgte dem Bruder Alexander 1852 dorthin.

Das Haus Gleseker am Markt vor dem Ersten Weltkrieg, im Hintergrund die Gaukirche (Foto: Stadt- und Kreisarchiv Paderborn, Ansichtskartensammlung).

Was hat Alexander und Wilhelm Brahe veranlasst auszuwandern? Australien wurde erst ab Ende der 1830er-Jahre als Ziel für deutsche Migranten interessant. Der „Goldrausch“ der 1850er-Jahre führte zu einem massiven Anstieg der Australienauswanderung. Die Berichte gelangten rasch auf das europäische Festland, wo sie sich wie ein Lauffeuer verbreiteten. Angesprochen wurden vor allem unverheiratete Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren, die sich Hoffnungen auf ein besseres Leben machten und die teuren Schiffspassagen bezahlen konnten. Auch im Paderborner Land erfuhren die Menschen bereits im Frühjahr 1852 von den „Goldentdeckungen“[4] im südlichen Australien. Bis in die 1860er-Jahre konzentrierte sich die deutsche Besiedlung vor allem auf die Kolonien Victoria und Neusüdwales. In Victoria lebten 1850 rund 5.000, 1861 etwas über 10.000 deutsche Einwanderer. Insgesamt gesehen ist die Zahl der Auswanderer nach Australien im Vergleich zu der nach Nordamerika quantitativ verschwindend gering. Das bestätigen auch die Zahlen für Paderborn: Friedrich Müller hat für den Zeitraum von 1847 bis 1858 lediglich 13 Personen ermitteln können, die ihre Heimat mit Ziel Australien verließen.[5] Allerdings müssen wir von einer nicht quantifizierbaren Dunkelziffer ausgehen. In der Paderborner Presse wurde schon 1847 für Schiffsreisen nach Australien geworben.[6] Die damals noch mehrere Monate dauernde Überfahrt war ausgesprochen beschwerlich. Trotzdem richteten sich damals „die Blicke so vieler Menschen nach Australien“.[7]

Wilhelm Brahe (1835-1912), unbekannter Fotograf (Foto: Wikimedia Commons).

Über die Gründe, die die Brüder Brahe nach Australien geführt haben, können wir in Ermangelung schriftlicher Quellen nur spekulieren. Die entscheidende Rolle spielte natürlich der ältere Bruder Alexander, der sich am 30. August 1848 in Hamburg einschiffte und am 12. Januar 1949 Adelaide erreichte.[8] Er ließ sich in Melbourne nieder, war hier ab 1852 als Rechtsanwalt tätig und spielte in der kleinen, aber wachsenden deutschen Community bald eine gewichtige Rolle (u.a. als Mitbegründer des „Deutschen Vereins“).[9] Der gerade siebzehnjährige Wilhelm Brahe bestieg am 3. April 1852 in Hamburg die Brigg Reiherstieg und erreichte Sydney am 5. August des gleichen Jahres.[10] Den Behörden in Paderborn fiel seine Abwesenheit erst auf, als er 1856 nicht zur Musterung erschien.[11] Er hat den „preußischen Untertanenverband“ also „ohne Konsens“ verlassen, gewiss auch, um den ungeliebten Militärdienst nicht ableisten zu müssen. Im australischen Bundesstaat Victoria angekommen, hat er zunächst als Goldgräber, Viehtreiber, Lagerarbeiter und Fuhrmann in der Nähe von Beechworth, einer Goldgräberstadt im Nordosten von Victoria, gelebt und gearbeitet.

Beechworth 1855, fotografiert von Walter Bentley Woodbury (1834-1885) (Foto: Wikimedia Commons).

Wie gelangte Wilhelm Brahe zur Expedition von Burke und Wills? Bei der Victorian Exploring Expedition handelte es sich um ein Prestigeprojekt der Hauptstadt Melbourne der Kolonie Victoria.[12] Es ging keineswegs um die Suche nach landwirtschaftlich nutzbarem Land und Bodenschätzen; vielmehr war es das Ziel der Expedition, zuerst den Kontinent von Süd nach Nord zu durchqueren. Initiiert vom Exploration Committee der Royal Society of Victoria wurde ein Expeditionsteam zusammengestellt. Die Leitung übertrug man Robert O´Hara Burke, die erste große Fehlentscheidung, denn der designierte Expeditionsleiter verfügte über keinerlei einschlägige Erfahrungen. Auch bei der Zusammenstellung der Mannschaft und beim Umgang mit seinen Leuten bewies er kein gutes Händchen. An wissenschaftlicher Forschung hatte Burke keinerlei Interesse, ihm ging es nur um den Entdeckerruhm. Wegen der Konkurrenz zu John McDouall Stuart (1815-1866), der nahezu gleichzeitig eine Expedition von Adelaide aus startete, entstand ein ungeheurer Zeitdruck.

Der Leiter der Victorian Exploring Expedition Robert O´Hara Burke (1821-1861) und sein Stellvertreter William John Wills (1834-1861) (Abb.: Wikimedia Commons).

Wilhelm Brahe kam durch Vermittlung des Komitee-Mitglieds Georg Neumayer (1826-1909), des deutschstämmigen Direktors des Melbourner Observatoriums und guten Bekannten seines Bruders Alexander, zur Mannschaft.[13] In seinem Bewerbungsschreiben erklärte Brahe, in seiner Zeit in Beechworth den Umgang mit Fuhrwerken, Pferden und Rindern gelernt zu haben.[14] Darüber hinaus könne er mit dem Kompass umgehen und habe Erfahrungen im Umgang mit Indigenen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Expeditionsteilnehmern hatte Brahe also wohl Diskriminierung und Vertreibung der Aborigines in den Küstenregionen hautnah miterlebt. Er wurde jedenfalls von Burke als Organisator des Nachschubs mit einem Gehalt von 120 Pfund in die Victorian Exploring Expedition berufen und unterzeichnete am 18. August 1860 das „Memorandum of Agreement“ bei der Royal Society of Victoria.[15] Die ursprünglich 19-köpfige Mannschaft bestand aus fünf Engländern, sechs Iren, vier Indern, drei Deutschen und einem Amerikaner – keiner war je über die besiedelten Gebiete hinaus gereist, lediglich drei Teilnehmer verstanden etwas vom Navigieren.

Der verwickelte Expeditionsverlauf soll hier nur kurz wiedergegeben werden. Die für die 3.250 km lange Strecke zum Golf von Carpentaria bestens ausgestattete Expedition startete am 20. August 1860 in Melbourne, wo sie von 15.000 begeisterten Zuschauern verabschiedet wurde. Versorgt mit Lebensmitteln für zwei Jahre standen für den Transport 23 Pferde, 26 Kamele und 6 Wagen zur Verfügung. Die Expedition stand dennoch von Anfang an unter einem denkbar schlechten Stern. Kurz vor der Abreise hatten sich der Arzt Hermann Beckler (1828-1914) und der „Kamelmeister“ George Landalls (1825-1871) zurückgezogen. Bereits in Menindee, 750 km von Melbourne entfernt, teilte Burke sein Team auf, eine weitere fatale Fehlentscheidung: Um Cooper´s Creek, den letzten bekannten Punkt auf der Landkarte, möglichst schnell zu erreichen, ging eine achtköpfige Gruppe um Burke (mit Brahe) mit Vorräten für fünf bis sechs Monate voraus, die zweite Gruppe sollte nachkommen.

Start der Burke-Wills-Expedition in Melbourne am 20. August 1860 (Abb.: Wikimedia Commons).

Am 11. November 1860 erreichte Burke Cooper´s Creek, wo ein Lager errichtet wurde. Statt den australischen Sommer (mit Tageshöchsttemperaturen um 50°) abzuwarten, teilte Burke seine Mannschaft erneut und brach am 16. Dezember mit drei Männern gen Norden auf, wo sie am 10. Februar 1861 nur wenige Kilometer vom Ziel entfernt von unpassierbaren Mangrovensümpfen zur Umkehr gezwungen wurden. Wilhelm Brahe hatte sich ursprünglich Burke anschließen wollen, musste aber das Kommando über das am Cooper Creek errichtete Basislager übernehmen. Hier wurde die Versorgungslage im Laufe der nächsten Monate immer prekärer, so dass er sich mit seinen Leuten am Morgen des 21. April 1861 auf den Rückweg begab. Am Abend des gleichen Tages erreichten der umgekehrte Burke und seine Gruppe das verlassene Lager. Sie machten sich völlig entkräftet auf den Weg nach Süden. Beide Expeditionsleiter, Burke und Wills, verstarben Ende Juni 1861 an Mangelernährung und Erschöpfung; der einzige Überlebende John King (1841-1872) hatte sich einer Gruppe von Aborigines anschließen können.

Wilhelm Brahe begleitete wenig später die Suchexpedition von Alfred William Howitt (1830-1908) und war dabei, als die sterblichen Überreste von Burke und Wills gefunden wurden. Nach dem tragischen Ende der Expedition, das die australische Öffentlichkeit in unvorstellbarer Weise aufwühlte, wurde Brahe scharf kritisiert, weil er das Depot am Cooper´s Creek verlassen hatte. Vor der Untersuchungskommission konnte er jedoch glaubhaft machen, dass er sogar länger als von Burke angeordnet gewartet hatte.[16] Andere überlebende Expeditionsteilnehmer bestätigten seine Aussage.

„The burial of Burke“, Gemälde von William Strutt (1825-1915) aus dem Jahr 1911, rechts mit Hut und Spaten: William Brahe (Foto: Wikimedia Commons).

Die Victorian Exploring Expedition quer durch den Kontinent ist als gescheitert anzusehen; sie erreichte nicht nur nicht die Nordküste, sondern erbrachte auch so gut wie keine neuen Erkenntnisse über die Beschaffenheit des australischen Hinterlandes oder seiner Bewohner*innen.[17] Zwar kam es während der Expedition immer wieder zu Begegnungen mit den Aborigines. Die „Eingeborenen“ begnügten sich aber meistens damit, die Eindringlinge in ihre Welt aus der Entfernung zu beobachten. Zu ernsthaften Zusammenstößen kam es nicht, sodass die von Expeditionsleiter Burke angeordneten rigorosen Maßnahmen nicht zur Anwendung kamen.[18] Die Leichen von Burke und Wills wurden – im Gegensatz zu den fünf übrigen umgekommenen Expeditionsteilnehmern – nach Melbourne zurückgebracht. Sie erhielten ein Staatsbegräbnis auf dem Zentralfriedhof von Melbourne, an dem 40.000 Trauergäste teilgenommen haben sollen. Ihnen wurden zahlreiche Denkmäler errichtet. Bis heute beschäftigt das Schicksal der Burke-Wills-Expedition die Australier*innen: es gibt zahllose Publikationen – wissenschaftliche Untersuchungen, Romane, Reiseführer – über dieses Thema.

Was wurde aus William Brahe? Nach der Rückkehr von der Expedition verließ er Victoria und wirkte als Prediger in Queensland, Neuseeland und auf den Fidschiinseln. Hier heiratete er 1874 die aus Röbel in Mecklenburg stammende Elise Hinze (1855-1927); aus der Ehe gingen 9 Kinder hervor. Brahe zog dann zurück nach Victoria und wurde Gerichtsvollzieher in Macedon. 1881 wurde er australischer Staatsbürger. Er starb als letzter Überlebender der Victorian Exploring Expedition am 16. September 1912 im Alter von 77 Jahren in Elwood, heute ein Stadtteil von Port Phillip City im Großraum von Melbourne. Sein Grab findet sich auf dem Brighton General Cemetry im Melbourner Vorort Caulfield South.[19]

Die tragische Expedition von Burke und Wills wurde früh auch in Deutschland rezipiert: Beispielsweise schilderte August Diezmann (1805-1869) den Expeditionsverlauf 1862 in der „Gartenlaube“;[20] auch in der Tagespresse wurde berichtet.[21] Brahe tauchte dabei – wenn überhaupt – lediglich als Randfigur auf. Immerhin dürfte er der erste und einzige Paderborner sein, der Eingang in einen Roman von Jules Verne (1828-1905) gefunden hat, der die tragisch verlaufene Expedition literarisch verarbeitet hat.[22] Und auch in einem Film spielt Brahe eine Rolle: 1985 kam „The Wacky World of Wills & Burke“ („Die verrückte Welt von Wills & Burke“) in die Kinos, eine schwarze Komödie mit der jungen Nicole Kidman in einer Nebenrolle; William Brahe wurde von Alex Menglet dargestellt.

Der einzige Paderborner in der Romanwelt Jules Vernes: Wilhelm Brahe …

[1] John Hussey, Henry Backhaus. Doctor of Divinity. Pioneer Priest of Bendigo, Bendigo 1982 (deutsch unter dem Titel: Pionier unter Goldsuchern. Heinrich Backhaus – ein Priester aus Westfalen in Australien, Paderborn 1985); A. E. Owens, George Henry Backhaus (1811-1882), in: Australian Dictionary of Biography 3 (1969) (https://adb.anu.edu.au/biography/backhaus-george-henry-43) (zuletzt abgerufen am 10.05.2024).

[2] Helmut Dolezal, Hillebrand, Wilhelm, in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 148-149 (https://www.deutsche-biographie.de/pnd132675625.html#ndbcontent) (Zugriff: 10. 5. 2024).

[3] Lührsen, C. Nikolaus: Die Nachkommen des Johann Caspar Brahe Bielefeld 1662-1727, in: 60. Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 1958, S. 156-204, hier S. 181ff.

[4] Sauerländischer Anzeiger v. 24. 3. 1851.

[5] Vgl. Müller, Friedrich: Westfälische Auswanderer im 19. Jahrhundert – Auswanderer aus dem Regierungsbezirk Minden, I. Teil, 1816-1900 (Erlaubte Auswanderung), in: Beiträge zur westfälischen Familienforschung 38/39 (1980/81), S. 1-711; Müller, Friedrich: Westfälische Auswanderer im 19. Jahrhundert. Auswanderung aus dem Regierungsbezirk Minden. II. Teil, Heimliche Auswanderung 1814-1900, in: Beiträge zur westfälischen Familienforschung 47/48 (1989/90), S. 5-762; ferner: Czeschick, Wolfram: Auswanderer des 19. Jahrhunderts aus Paderborn, Benhausen, Dahl, Elsen, Marienloh, Neuenbeken, Sande, Schloß Neuhaus und Wewer, in: Auf nach Amerika! Beiträge zur Amerika-Auswanderung des 19. Jahrhunderts aus dem Paderborner Land und zur Wiederbelebung der historischen Beziehungen im 20. Jahrhundert, Bd. 1, Stadt Paderborn, hrsg. v. Deutsch-Amerikanischen Freundeskreis Paderborn – Belleville e.V. in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Paderborn durch Ellen Rost / Otmar Allendorf / Rolf-Dietrich Müller, Paderborn 1994, S. 118-191.

[6] Westfälische Zeitung v. 11. 5. 1847, ferner Westfälische Zeitung v. 19. 1. 1849, 27. 3. 1849, 19. 4. 1849.

[7] Westfälische Zeitung v. 17. 10. 1848; vgl. Sauerländischer Anzeiger v. 12. 2. 1851 u. 15. 2. 1851.

[8] https://www.theshipslist.com/ships/australia/steinwaerder1849.shtml (zuletzt abgerufen am 15.07.2024).

[9] Alexander Brahe war zudem ab 1869 Königlich Preußischer und von 1871 bis 1912 Kaiserlicher Deutscher Konsul in Melbourne. Anfang Januar 1873 erhielt Alexander Brahe als „kaiserlicher Consul in Melbourne“ den Königlichen Adlerorden IV. Klasse verliehen, Westfälisches Volksblatt v. 21. 1. 1873.

[10] https://www.ancestry.de/imageviewer/collections/1068/images/K_1702_080461-0039?treeid=&personid=&rc=&queryId=3f73c70f-b435-4471-9caa-66abe6dd644f&usePUB=true&_phsrc=jJc28&_phstart=successSource&pId=5693219 (zuletzt abgerufen am 15.07.2024); Sydney Morning Herald v. 6. 8. 1852 (https://trove.nla.gov.au/newspaper/article/12938983) (zuletzt abgerufen am 15.07.2024)

[11] Rekrutierungs-Liste der Gemeinde Paderborn zur Aushebung des Jahres 1858. SKAP, S – A 1200.

[12] Umfangreiche Darstellung: http://www.burkeandwills.net.au/General/links.htm (zuletzt abgerufen am 10.05.2024); dazu: Wills, William (Ed.): Successful Exploration through the interior of Australia from Melbourne to the Golf of Carpentaria, from the Journals and Letters of William John Wills, London 1863 (https://www.gutenberg.org/files/5816/5816-h/5816-h.htm) (zuletzt abgerufen am 10.05.2024); Beckler, Hermann: Entdeckungen in Australien. Briefe und Aufzeichnungen eines Deutschen 1855-1762, eingeleitet u. erläutert v. Johannes H. Voigt, Stuttgart 2000.

[13] Clark, Ian D.: The members of the Victorian Exploring Expedition and the prior experience of Aboriginal peoples, in: Ian D. Clark / Fred Cahir (Ed.), The Aboriginal Story of Burke and Wills. Forgotten Narratives, Clayton 2013.

[14] http://www.burkeandwills.net.au/Employment_Applications/Brahes_Application.htm (zuletzt abgerufen am 10.05.2024).

[15] http://www.burkeandwills.net.au/Explorers/Expedition_Assistants/brahe.htm (zuletzt abgerufen am 10.05.2024).

[16] Ausführlich: http://www.burkeandwills.net.au/Commission_of_Enquiry/Evidence_listed_by_witness/Evidence_Brahe.htm (zuletzt abgerufen am 10.05.2024).

[17] Die erste Süd-Nord-Durchquerung gelang Burke´s Konkurrent John McDouall Stuart, der am 24.07.1862 von Adelaide kommend den Indischen Ozean am Van-Diemen-Golf erreichte.

[18] Nach Aussage von Brahe gab Burke bei seinem Abmarsch aus
Cooper´s Creek am 16. 12. 1861 entsprechende Anweisungen: „Q218. Hat Herr Burke Ihnen irgendwelche Anweisungen zum Umgang mit den Eingeborenen gegeben? – Ja; Als er ging, schien er zu glauben, dass sie sehr lästig sein würden, und er sagte mir, wenn sie mich überhaupt ärgerten, solle ich sie sofort erschießen.“ http://www.burkeandwills.net.au/Commission_of_Enquiry/Evidence_listed_by_witness/Evidence_Brahe.htm (zuletzt abgerufen am 10.05.2024)

[19] http://www.burkeandwills.net.au/Explorers/Expedition_Assistants/brahe.htm (Zugriff: 10. 5. 2024); https://brightoncemetery.com/william-wilhelm-brahe-1835-1912/ (zuletzt abgerufen am 10.05.2024).

[20] August Diezmann, Grauenhafter Ausgang einer Entdeckungsreise, in: Die Gartenlaube H. 8, 1862, S. 124-126; ferner beispielsweise: Karl Müller, Australische Entdeckungsreisen. 8. Die Entdeckungen der Jahre 1858 bis 1869, in: Die Natur. Zeitung zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntniß und Naturanschauung für Leser aller Stände 10 (1861) (31. 5. 1861), S. 174-176; Dr. Meinicke, Burkes Reise durch das centrale Australien, in: Zeitschrift für allgemeine Erdkunde (Berlin) NF 13 (1862), S. 1-26.

[21] Ob Nachrichten vom Scheitern der Burke-Wills-Expedition nach Ostwestfalen gelangt sind, ist nicht völlig ausgeschlossen. Jedenfalls ergab eine Recherche im Zeitungsportal NRW eine ganze Reihe von „Treffern“ über Presseberichte: Echo der Gegenwart v. 14. 3. 1861, 27. 9. 1861, 18. 1. 1862, Aachener Zeitung v. 17. 1. 1862, 29. 4. 1862, Düsseldorfer Zeitung v.20. 9. 1861, 20. 1. 1862; Kölnische Zeitung 19. 2. 1862, Bonner Zeitung v. 20. 2. 1862, Iserlohner Kreisblatt v. 9. 4. 1862.

[22] Verne, Jules: Die Kinder des Kapitän Grant. Reise um die Erde, Bd. 2, Wien / Pest / Leipzig 1875, S. 143f. – Das französische Original erschien 1867/68 unter dem Titel „Les Enfants du capitaine Grant“.


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„Den armen Seelen helfen“ – Die Paderborner Jesuitenmission in China

Im Stadtzentrum Paderborns befindet sich die Marktkirche, die ehemalige Jesuitenkirche Sankt Franz Xaver. Doch wer war Franz Xaver und warum wurde die Paderborner Marktkirche nach ihm benannt? Wie beeinflusste sein Leben die Arbeit und das Leben der Jesuiten in Paderborn, und was hat er mit Mission und – aus heutiger Sicht – ggf. mit Kolonialismus zu tun?

Die Nordseite der Paderborner Marktkirche St. Franz Xaver. Foto: Eduard Seng

Der Jesuit Franz Xaver begann im Jahr 1541 seine Reise nach Indien im Auftrag des portugiesischen Königs Johann III., welchen Papst Paul III. um Missionare für die ostindischen Besitzungen Portugals gebeten hatte. In Indien gab es im 16. Jahrhundert verschiedene europäische Niederlassungen, aber auch von Einheimischen regierte Territorien, darunter das islamisch geprägte Mogulreich, welches sich vom 16. bis ins 19. Jahrhundert über große Teile Indiens erstreckte. Franz Xaver war der erste Missionar der „Societas Jesu“, des Jesuitenordens, der nach Indien reiste. Aber der Kontinent war keineswegs der Endpunkt seiner Reise. Von den portugiesischen Überseebesitzungen aus führte die Mission Franz Xaver bis nach Japan. 1551 nach Indien zurückgekehrt, plante er eine China-Reise. Dieses Land wurde für die Verbreitung des christlichen Glaubens als besonders wichtig betrachtet, da andere Kulturen, wie beispielsweise die japanische, in engem kulturellen Austausch mit der chinesischen standen.[1] Diese Reise trat Franz Xaver jedoch nie an, da er am 3. Dezember 1552 im Alter von 46 Jahren verstarb.[2] Heute gilt Franz Xaver als Patron aller katholischen Missionen auf dem Erdkreis.[3] In dieser Funktion wird er als Namenspatron der ehemaligen Jesuitenkirche in Paderborn geehrt, und ist auf dem aufwendig verzierten und beschmückten Altarbild beim Predigen vor den Heiden verewigt.

Seinen Plan einer China-Reise sollte nach seinem Tod ein anderer umsetzen: Kurz nach ihm trat der 1552 geborene italienische Jesuit Matteo Ricci seine Reise nach Asien an. 1583 erhielt er „als erster Europäer der Neuzeit die Erlaubnis, sich in China aufzuhalten.“[4] Ricci wandte eine neue Methode der Missionierung an, die sog. Akkommodationsmethode.[5] Wie der Name bereits andeutet, versuchte Ricci sich so gut er konnte den Riten und Bräuchen der lokalen Bevölkerung anzupassen. Hierzu nahm er unter anderem einen chinesischen Namen an und übernahm die Umgangsformen lokaler Gelehrter.[6] Riccis Kenntnisse in den Naturwissenschaften und der Technik ermöglichten es ihm ab 1601 in Peking zu verweilen und bis zu seinem Tod im Jahr 1610 für den Kaiser zu arbeiten.[7]

Riccis Nachfolger taten es ihm gleich und integrierten sich ebenso in China, insbesondere im Bereich der Wissenschaft. Diese Integration stärkte das Vertrauen des Kaisers, sodass dieser 1692 das Christentum in China als offizielle Religion anerkannte.[8] So waren zwischen 1661 und 1722 rund 460 Jesuiten in China als Missionare tätig. Einige von ihnen stammten selbst aus China.[9]

Die Chinamission sollte jedoch keinen permanenten Erfolg haben. Die Akkommodationsmethode mit ihren Anpassungen und Übernahme von lokalen Bräuchen wie z.B. der Ahnenehrung wurde in manchen katholischen Kreisen im Kontext des sog. Ritenstreits als Synkretismus verurteilt, also als Vermischung verschiedener religiöser und philosophischer Praktiken.[10] In Bezug auf die Akkommodationsmethode ist damit die Übernahme von asiatischen Bräuchen gemeint. Dies führte zum Verbot der Akkommodationsmethode durch Papst Benedikt XIV. im Jahr 1742, der damit den Ritenstreit beendete, aber die Missionare in China unter Druck brachte. Weil sie sich nicht mehr in gleichem Maße an die Landessitten anpassen durften, wurden viele der Jesuiten in ihrer Arbeit eingeschränkt oder sogar des Landes verwiesen. Nach Aufhebung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV. im Jahr 1773 war die erste Chinamission schließlich beendet. Nach der offiziellen Wiederherstellung der Societas Jesu im Jahr 1814 konnten die Jesuiten nur begrenzt an ihre Traditionen in China anknüpfen. Heute sind sie in ihrer Arbeit auf die chinesische Ordensprovinz der Jesuiten, mit ihrem Hauptsitz in Macau, beschränkt.[11]

Waren auch Jesuiten aus Paderborn in China tätig? Das scheint tatsächlich der Fall gewesen zu sein. Der Paderborner Bischof Ferdinand von Fürstenberg – der gleiche, der Franz Xaver zu Ehren die Marktkirche errichten ließ – richtete am 25. März 1682 eine Missionsstiftung ein, die sog. Missio Ferdinandea.[12] Zweck der Stiftung war es „den Seelen zu helfen“[13], also in der Mission den christlichen Glauben zu verbreiten.  Franz Xaver galt dabei als „Vorbild […], dem es nachzueifern gelte.“[14] Ferdinand von Fürstenberg wollte die Stiftung aus persönlicher Wertschätzung eng an die Societas Jesu binden[15]und ihr die Missionsaufgaben exklusiv anvertrauen.[16] Die Stiftung sandte zu Beginn 36 Missionare aus, welche eine Mission generell zu zweit antreten sollten.[17] Und obwohl sich Ferdinand von Fürstenbergs Missionstätigkeit bisher hauptsächlich auf westfälische, zentraleuropäische und nordische Gebiete beschränkt hatte und auch die Jesuiten selbst nur in wenigen Fällen in Asien und Amerika tätig gewesen waren,[18] wurde mit der Missio Ferdinandea im Jahr 1682 explizit auch Ostasien in den Radius der Mission einbezogen. Der Bischof reagierte damit auch auf die Denkschrift von Vizeprovinzial Ferdinand Verbiest aus dem Jahr 1678, der darin über einen Mangel an Priestern in China berichtet hatte.[19] Eine der bei ihrer Gründung in der Missio Ferdinandea genannten 15 Missionen fokussierte deshalb auf China und seine angrenzenden Inseln.[20] Es gibt Hinweise darauf, dass das auch mit Interessen von Mitgliedern der Missio Ferdinandea am Ostasiatischen Raum zu tun gehabt haben könnte. Der früheste Hinweis darauf findet sich im Jahr 1710, als der Paderborner Jesuit Aloysius Neumann sich darum bewarb, entweder in China oder in der Malabarmission, dem Gebiet des heutigen indischen Bundesstaats Kerala an der Südwestküste des Landes, eingesetzt zu werden.[21] Ob ihm dieser Wunsch tatsächlich erfüllt wurde, ist gegenwärtig noch nicht bekannt.   

Das Portraitbild aus der Paderborner Marktkirche zeigt den ehem. Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg (1626–1683). Foto: Eduard Seng.

Die Vermutung liegt nahe, dass Neumann nicht der einzige Paderborner Jesuit war, der im Sinne des Vorbilds Franz Xaver in die ostasiatische Mission in China strebte. Wie viele Paderborner Jesuiten bzw. Jesuiten, die im Laufe ihrer Ordensjahre eine Zeitlang in Paderborn tätig waren, letztendlich nach China geschickt wurden, ist noch nicht ausreichend erforscht: Die Personalia der Paderborner Jesuiten wurden noch nicht systematisch ausgewertet. Es ist damit zu rechnen, dass eine detaillierte Analyse dieses Archivmaterials die Namen einiger Missionare zwischen Paderborn und China zu Tage fördern würde – auch wenn man sich angesichts der insgesamt nur geringen Größe der Missio Ferdinandea nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass ein Großteil der Überseemissionen des 18. Jahrhunderts auch weiterhin durch spanische sowie italienische Missionare getragen wurde. Die informelle Kolonialherrschaft durch die europäischen Großmächte England und Frankreich wurde zwar erst später, im 19. Jahrhundert, flächendeckend in China etabliert. Er baute aber auch auf dem Wissen über das Land und seine Bewohnerinnen und Bewohner auf, das die Missionare vorher nach Europa gebracht hatten.


[1] Haub, Rita; Oberholzer, Paul: Matteo Ricci und der Kaiser von China. Jesuitenmission im Reich der Mitte, Würzburg 2010, S. 15.

[2] Haub; Oberholzer 2010, S. 16.

[3] Ebd., S. 16

[4] Ebd., S. 17.

[5] Haub, Rita: Die Geschichte der Jesuiten, Darmstadt 2007, S. 74.

[6] Haub; Oberholzer 2010, S. 17.

[7] Haub 2007, S. 74.

[8] Ebd., S. 74.

[9] Ebd., S. 74.

[10] Siehe dazu: Duden: Synkretismus, URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Synkretismus (zuletzt abgerufen am 09.05.2024).

[11] Wiedenmann, Ludwig: „Geht und entzündet alles!“ 200 Jahre weltweite Jesuitenmission, online verfügbar über: https://jesuitenweltweit.de/fileadmin/Dateien/Jesuitenmission/Ueber_uns/Artikel_Ludwig_Wiedenmann_SJ_01.pdf (zuletzt abgerufen am 19.04.2024.), S. 5.

[12] Dahlke, Benjamin: Die Missio Ferdinandea. Eine Missionsstiftung und ihre Geschichte, in: Börste, Norbert; Ernesti, Jörg (Hrsg.): Friedensfürst und Guter Hirte. Ferdinand von Fürstenberg. Fürstbischof von Paderborn und Münster, Paderborn 2004, S. 183 – 208, hier: S. 184.

[13] Ebd., S. 184.

[14] Ebd., S. 184-185.

[15] Ernesti, Jörg: Ferdinand von Fürstenberg (1626-1683). Geistiges Profil eines barocken Fürstbischofs, Paderborn 2004, S. 147

[16] Ebd., S. 147.

[17] Dahlke 2004, S. 138.                      

[18] Zwischen 1600 und 1670 sind lediglich 30 Jesuiten der Deutschen Assistenz in Asien und Amerika nachweisbar, vgl. ebd, S. 190.

[19] Ebd, S. 187.

[20] Ernesti 2004, S. 138.

[21] Ebd., S. 190.

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Wilhelm Liborius Endomiro – verschleppt von Surinam nach Schloß Neuhaus

Am 24. Februar 1764 bestiegen Moritz Renneke[1] und seine junge Frau Margareta Wilhelmina Liedstrum in Paramaribo, der Hauptstadt der niederländischen Kolonie Surinam, ein Handelsschiff der Westindischen Handelskompagnie, um über Amsterdam in Moritz Rennekes westfälische Heimat zu reisen. Moritz Renneke kam gebürtig aus Delbrück-Westenholz im Hochstift Paderborn und wollte dort sein ihm nach Delbrücker Recht zustehendes väterliches Erbe, eine kleine, dem Landesherrn eigenbehörige Stätte[2], antreten. Seine in Paramoribo geborene und aufgewachsene Frau Margareta Wilhelmina Liedstrum hatte er 1762 in ihrem Geburtsort geheiratet. Im Gepäck hatten sie einen Schießbogen, zwei Holzsäbel und eine Wachspresse aus indigener Produktion als Souvenir für Moritz Rennekes Eltern.[3] Das Ehepaar Renneke reiste nicht allein, sondern wurde von einem vielleicht zehnjährigen Jungen begleitet, der nach ihrer Ankunft in Paderborn als „Mohrenschlavenkind“ bezeichnet wurde. Das Kind, das fortan zumeist als „Æthiops“ beschrieben wurde, muss aufgrund seiner sehr dunklen Hautfarbe in Paderborn eine Sensation dargestellt haben, weil sein Anblick den gewöhnlichen Erfahrungshorizont sprengte. Hinzu kam, auch dies war eine unerhörte Sensation, dass das Kind ein Heide, also noch ungetauft war. Zweifelsohne wollte sich Moritz Renneke, der 1748 durch Urteil des Paderborner Weltlichen Hofgerichts aufgrund eines Diebstahls seines Vaterslandes verwiesen worden war, bei seiner Rückkehr als erfolgreicher Kolonialreisender und Geschäftsmann präsentieren, um die alte Schmach der Verurteilung wettzumachen. Das Kind diente ihm als lebendiger Beweis für seinen beruflichen Erfolg im Ausland und dürfte zweifelsohne dafür gesorgt haben, dass er wieder in aller Munde geriet. Aufgrund der absoluten Singularität des Geschehens galt er noch viele Jahre später als der, der „damahlen den Mohren mit aus Indien brachte,“[4] wobei „Indien“ nicht wörtlich, sondern im übertragenen Sinn zu verstehen ist. Die Daheimgebliebenen hatten zudem kaum ein Vorstellungsvermögen über die Unterschiede zwischen den Routen der Westindischen- und der Ostindischen Handelskompagnie. Die erstere unterhielt eine Dreiecksverbindung zwischen Amsterdam, der westafrikanischen Küste, wo Sklaven verladen, und Surinam im Nordosten Südamerikas, wo die Sklaven als Arbeitskräfte vor allem in Zuckerrohr-, Baumwoll-, Kakao- und Kaffeeplantagen eingesetzt wurden. Die Ostindische Handelskompagnie hielt über das Kap der Guten Hoffnung die Verbindung nach Jakarta, der heutigen Hauptstadt Indonesiens, die im 18. Jahrhundert Batavia genannt wurde.

Das Elternhaus von Moritz Renneke in Delbrück-Westenholz, laut Inschrift auf dem Torbogen erbaut von seinen Eltern 1737. Die Jahreszahl wurde bei einer Neuausmalung fälschlicherweise zu 1797 verändert. In diesem Haus präsentierte Moritz Renneke 1764 den „Mohrensklavenjungen“ seinem Vater und seiner Stiefmutter (Foto: Yvonne Püttmann, 2016).

Moritz Renneke präsentierte kurz nach seiner Ankunft im Mai 1764 das von ihm aus Surinam mitgebrachte Kind dem 1763 zum Fürstbischof gewählten Freiherrn Wilhelm Anton von der Asseburg, der im Residenzschloss in Neuhaus seinen beständigen Wohnsitz eingerichtet hatte. Der Landesherr konnte der Versuchung nicht widerstehen, den ihm angebotenen Jungen in seinen Hofstaat aufzunehmen. Die Quellen verschweigen, welchen Preis der Fürstbischof zu bezahlen bereit war. Anscheinend ging das Kind ohne einen Übergabe- oder Kaufvertrag in die Hände des Fürsten über. Was mögen Moritz Renneke und Margarethe Wilhelmine Liestrum dem Kind erzählt haben? Welche Ängste mag der kleine Junge in dem ihm fremden Land unter ihm fremden Menschen mit anderer Sprache ausgestanden haben? Nach der Übergabe des Kindes an den Fürstbischof scheint es keinerlei weiteren Kontakt mehr zwischen dem Ehepaar Renneke und dem Jungen aus Surinam gegeben zu haben. Quellenmäßig greifbar wird der Junge in Paderborn zuerst deswegen, weil er noch nicht getauft war. Der bischöfliche Landesherr sah es deshalb als seine erste Pflicht an, das Kind umgehend taufen zu lassen. Unbekannt bleibt, ob der Junge bereits durch das Ehepaar Renneke mit Inhalten des christlichen Glaubens und dem Vollzug christlicher Riten wie der Taufe in Berührung gekommen war oder ob er vor seiner Taufe eine zumindest rudimentäre Einführung in den katholischen Glauben erhielt, sofern er der plattdeutschen Sprache, die in Paderborn landläufig gesprochen wurde, denn annähernd mächtig war. Fürstbischof Wilhelm Anton von der Asseburg setzte sich mit dem Paderborner Domdechant Wilhelm Joseph von Weichs zu Körtlinghausen in Verbindung, um die Mitglieder des Paderborner Domkapitels zu ersuchen, aus ihren Reihen dem Jungen einen Paten, der ihm namens des Kapitels die Taufnamen geben sollte, zu benennen. Dieses Ansuchen des Fürstbischofs trug der Domdechant am 30. Mai 1764 den versammelten Domherren vor, indem er berichtete, ein gewisser Mann aus Westenholz, der lange Zeit in „Ostindien“ gewesen sei, habe ein „Mohrenschlavenkind“ mitgebracht, dass der Bischof noch am selben Tag taufen wolle. Das Domkapitel entschied, den Domdechanten zur Taufe zu entsenden und dem Kind die Namen Wilhelm Liborius geben zu lassen.[5] Höchstpersönlich taufte der Bischof das Kind in seiner Neuhäuser Schloßkapelle. Das Außerordentliche dieses Geschehens lässt sich quellenmäßig daran ablesen, dass die Taufe zweifach dokumentiert wurde. Im Taufregister der Pfarrei St. Heinrich und Kunigunde, Schloß Neuhaus, vermerkte der Pfarrer, der Fürstbischof habe am 30. Mai 1764 einen „Æthiops seu Mauritanus“ namens „Endorimo“ getauft, der in der Taufe die Namen Wilhelmus Liborius Felix Maria erhalten habe. Paten seien das gesamte Domkapitel sowie die Schwester des Fürstbischofs, die hochwürdigste Frau Maria Magdalena von der Asseburg, geworden.[6] Der fürstbischöfliche Hofkaplan vermerkte im Weiheregister des Fürstbischofs ebenfalls das Taufgeschehen, datierte es aber wohl irrtümlich auf den 18. Mai 1764. Auch er bezeichnet den Täufling als „Æthiops“, dessen Nachname Endomarino laute. Paten seien namens des Domkapitels der Domdechant Freiherr von Weichs geworden sowie Maria Magdalene Freiin von der Asseburg,[7] die von 1738 bis zu ihrem Tod 1776 das Amt der Äbtissin des kaiserlich-freien und adeligen Damenstifts Neuenheerse bekleidete.

Der Taufeintrag von Wilhelm Liborius Felix Maria Endomiro datiert vom 30. Mai 1764 (Pfarrarchiv St. Martin, Schloß Neuhaus, Kirchenbuch Bd. 3 der Pfarrei St. Heinrich und Kunigunde, Schloß Neuhaus, S. 120. Foto: Jacek Szura, Erzbistumsarchiv Paderborn).

Es ist unbekannt, wo Wilhelm Liborius Endomiro, der nach dem Rufnamen des Fürstbischofs und dem Paderborner Dom-, Stadt- und Bistumspatron benannt worden war, in den Jahren nach seiner Taufe aufwuchs, ob er in der Residenz in Neuhaus, bei seinem Paten, dem Domdechant, in Paderborn oder unter der Aufsicht seiner Patin im Damenstift in Neuenheerse lebte. Erstmals wird er zehn Jahre nach seiner Taufe am 3. September 1774 wieder greifbar. An diesem Tag wurde er in Schloß Neuhaus einziger Pate eines Sohnes der Eheleute Joseph Müller und Anna Maria Beerhorst, der die Vornamen Wilhelm Anton erhielt. Der Pate wird im Taufregister als Wilhelm Antonius Endomiro, „Æthiops“, bezeichnet.[8] Anscheinend war er im Kreis oder im Umfeld der Neuhäuser Schlossbediensteten integriert, so dass er gebeten wurde, das Patenamt zu übernehmen. Doch zugleich blieb er ein Exot. Dies verrät der überflüssige Zusatz „Æthiops“ zu seinem Namen, der herausstreicht, dass er weiterhin als etwas Besonderes erachtet wurde, wobei die Bezeichnung keineswegs eine rassistische Diskriminierung enthielt, sondern nur das andersartige Aussehen zum Ausdruck brachte. Im 18. Jahrhundert waren an vielen bedeutenden wie provinziellen europäischen Höfen „Hofmohren“ modern. Gleichwohl waren sie rar und galten aufgrund ihrer Hautfarbe und Physiognomie als exotisch. Die Wilhelm Liborius Endomiro übertragenen Aufgaben in der Neuhäuser Residenz sind den Quellen leider nicht zu entnehmen. 1781 wird er zwei Mal in der einzigen erhaltenen Hof-Rechnung der Residenz genannt, allerdings nicht namentlich. Wie den Pedellen, dem Pagen und den Heiducken wurde auch dem „Mohren“ die Dienstkleidung gestellt, die durch „Knöpfe und Krempe“ geschmückt war. Sein „Beruf“ und Status war demnach der eines „Mohren“. Ob er in dieser Stellung glücklich war, lässt sich schwer einschätzen. Unglücklich entwickelte sich eine sexuelle Begegnung im Dezember 1777. Er hatte Maria Magdalena Busch aus Haaren kennengelernt, die als Dienstmagd beschäftigt gewesen sein dürfte. Wahrscheinlich führte die eingetretene Schwangerschaft zur Heirat des Paares am 24. Februar 1778 vor der versammelten Pfarrgemeinde in der Pfarrkirche von Schloß Neuhaus.[9] Der Fürstbischof hatte eigens schriftlich seine Zustimmung zur Eheschließung erteilt. Auch war das Aufgebot des Brautpaares ordnungsgemäß erfolgt. Im Traueintrag wird der Bräutigam Wilhelm Liborius Felix Endomiro erneut als „Æthiops sive Mauritanus“ bezeichnet, wobei erneut kaum an Herkunftsländer zu denken ist, sondern wiederum die Hautfarbe und Physiognomie des Bräutigams zum Ausdruck gebracht werden sollte. Am 16. September 1778 ließen Wilhelm Liborius Felix Endomiro, „Æthiops“, und Maria Magdalena Busch ihre Tochter Maria Margaretha Elisabeth taufen, die Maria Margaretha Elisabeth Platzbeckerin und den Stallmeister Paulus Banck als Paten erhielt.[10] Das Kind starb am 17. Januar 1783 in Schloß Neuhaus im Alter von viereinhalb Jahren.[11] Weitere Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. 1780 scheint Wilhelm Liborius Endomiro noch mit seiner Frau zusammen gewesen zu sein, denn am 10. Februar dieses Jahres übernahm er die Patenschaft von Maria Catharina Magdalena Pohlschmidt, die ihre ersten beiden Vornamen von ihrer ersten Patin Maria Catharina Sarncke und den dritten Vornamen von Maria Magdalena Endomiro, geb. Busch, erhielt. Da Täuflinge damals jeweils einen Paten und eine Patin erhielten, konnte Maria Magdalena Endomiro nicht selbst als zweite Patin eingesetzt werden. Deswegen wurde sie durch ihren Mann vertreten, der entgegen seiner Vornamen Wilhelm Liborius im Taufeintrag die Vornamen des Fürsten Wilhelm Anton trug.[12] Spätestens 1786 hatte sich das Ehepaar Endomiro entfremdet. Wilhelm Liborius Endomiro hatte sich der am 15. Dezember 1751 in der Paderborner Marktkirche getauften Sophia Bölleke,[13] der Tochter eines Hofoboisten, zugewandt. Sophia Bölleke hatte bereits 1782 ein uneheliches Kind von einem Münsteraner Oboisten bekommen.[14] Aus der Beziehung von Sophia Bölleke und Wilhelm Liborius Endomiro ging eine außerehelich geborene Tochter hervor, die die Namen Eva Maria Elisabeth erhielt. Die Patenschaft für das Mädchen übernahmen am 20. Februar 1787 Catharina Elisabeth Ritmann und Bernard Balsers.[15] Sie könnte identisch sein mit einer unverheirateten Frau, die in ihrem Sterbeeitrag vom 22. Juni 1841 im Kirchenbuch von Schloß Neuhaus als Vagabundin Bonafica Bölleke bezeichnet wurde.[16]

Als Wilhelm Liborius Endomiro Vater der unehelichen Tochter wurde, war sein Schutzherr, der Fürstbischof Wilhelm Anton von der Asseburg, längst verstorben. Dessen Nachfolger Friedrich Wilhelm von Westphalen, der seit 1763 Bischof von Hildesheim war und 1782 auch blieb, als er zusätzlich Paderborner Landesherr wurde, hielt sich mehr in Hildesheim als in Schloß Neuhaus auf. Deswegen steht zu vermuten, dass Wilhelm Liborius Endomiro spätestens mit dem Tod Wilhelm Antons von der Asseburg ein Bediensteter unter vielen im Neuhäuser Schloss geworden war. Zu Ostern 1789 lebte der „Moer Endomiro“ laut Kopfschatzrechnung wie der Hoflakei Vonderforst bei der Familie Kohaupt im Flecken Neuhaus.[17] Wilhelm Liborius Endomiro wird erst wieder am 6. Februar 1798 genannt. An diesem Tag verzeichnet das Neuhäuser Sterberegister seinen Tod im Alter von 45 Jahren.[18] Die Altersangabe dürfte einen Schätzungswert bezeichnen. Vor seinem Tod war er mit den Sakramenten der katholischen Kirche gestärkt worden. Als Maria Magdalena Endomiro am 9. Januar 1817 in Schloß Neuhaus im Alter von 65 Jahren an „Auszehrung“ starb, wird sie als Witwe eines ehemaligen fürstlichen Hofbedienten, „eines Mohren“, bezeichnet.[19]

Fürstbischof Wilhelm Anton von der Asseburg taufte 1764 Wilhelm Liborius Endomiro aus Surinam in der Schlosskapelle der Residenz in Schloß Neuhaus und nahm den Jungen als „Hofmohren“ in seinen Dienst (Hoher Dom zu Paderborn. Fachstelle Kunst des Erzbistums Paderborn, Foto: Ansgar Hoffmann).

2019 erlebte Wilhelm Liborius Endomiros weitgehend fremdbestimmter Lebenslauf eine literarische Würdigung.[20] Im Rahmen des Literatur- und Musikfestes „Wege durch das Land“ unter der Intendanz von Helene Grass und Albert Simons von Bockum-Dolffs erstellte die Leipziger Schriftstellerin Isabelle Lehn eine Auftragsarbeit mit dem Titel „Als ein Präsent aus Surinam“, in der sie Wilhelm Liborius Endomiros Lebensgeschichte, beginnend mit seinem Requiem in der Pfarrkirche von Schloß Neuhaus, aus seiner Perspektive spiegelbildlich rückwärts aufrollte und in seiner vermuteten afrikanischen Heimat enden ließ. Am 13. Juli 2019 trug die Autorin den Text erstmals in einer in Kooperation mit dem Kulturamt der Stadt Paderborn unter Leitung von Christoph Gockel-Böhner durchgeführten Veranstaltung des Literatur- und Musikfestes im Spiegelsaal des Neuhäuser Schlosses vor. Der Spiegelsaal war bewusst als Ort gewählt worden, an dem Wilhelm Liborius Endomiro seinen Dienst als „Hofmohr“ zu leisten hatte und wo er sich mit einem Blick in die Spiegel nach seiner Identität gefragt haben mag.


[1] Zu seiner Lebensgeschichte siehe: Rade, Hans Jürgen: „der damahlen den Mohren mit aus Indien brachte“. Der Eigenbehörige Moritz Renneke aus Delbrück-Westenholz und der Paderborn Hofmohr Wilhelm Liborius Endomiro aus Suriman, in: Westfälische Zeitschrift 166 (2016), S. 267-318. Online verfürgbar unter: https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/txt/wz-11805.pdf (zuletzt abgerufen am 15.05.2024).

[2] Nahezu allen Hof- und Hausstätten des Delbrücker Landes sowie ihre Besitzer waren bis zur Bauernbefreiung im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts eigenbehörig. Dies bedeutete, dass der Grund- und Boden wie die Menschen Eigentum eines Grundherrn waren, dem die Menschen in einem definierten Maß dienst- und abgabepflichtig waren. Im Gegenzug besaßen die Menschen ein lebenslanges Versorgungsrecht von ihrem Haus bzw. Hof. Sie waren geschäfts- und erbfähig und konnten sich aus der Bindung freikaufen.

[3] Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt. Westfalen, B 409 / Fürstbistum Paderborn, Landesherrliche Gerichte, Nr. 178, Bl. 33.

[4] Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt. Westfalen, B 403 / Fürstbistum Paderborn, Hofkammer, Nr. 1576, Bl. 11-12v.

[5] Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt. Westfalen, B 501 / Domkapitel Paderborn, Akten, Nr. 2029, Bl. 136.

[6] Taufbuch Schloß Neuhaus, St. Heinrich und Kunigunde 1724-1798, online verfübar unter: https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/paderborn/DE_EBAP_10128/KB003-01-T/?pg=121 (zuletzt abgerufen am 13.05.2024).

[7] Erzbistumsarchiv Paderborn, Handschriften, Nr. XXVIII, Bl. 70v.

[8] Taufbuch Schloß Neuhaus, St. Heinrich und Kunigunde 1724-1798, online verfübar unter: https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/paderborn/DE_EBAP_10128/KB003-01-T/?pg=187 (zuletzt abgerufen am 13.05.2024).

[9]Trauungsbuch Schloß Neuhaus, St. Heinrich und Kunigunde 1724-1798, online verfügbar unter: https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/paderborn/DE_EBAP_10128/KB003-02-H/?pg=48 (zuletzt abgerufen am 13.05.2024).

[10] Taufbuch Schloß Neuhaus, St. Heinrich und Kunigunde 1724-1798, online verfübar unter: https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/paderborn/DE_EBAP_10128/KB003-01-T/?pg=213 (zuletzt abgerufen am 13.05.2024).

[11] Sterbebuch Schloß Neuhaus, St. Heinrich und Kunigunde 1724-1798, online verfübar unter: https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/paderborn/DE_EBAP_10128/KB003-03-S/?pg=73 (zuletzt abgerufen am 13.05.2024).

[12] Taufbuch Schloß Neuhaus, St. Heinrich und Kunigunde 1724-1798, online verfübar unter: https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/paderborn/DE_EBAP_10128/KB003-01-T/?pg=223 (zuletzt abgerufen am 13.05.2024).

[13] Taufbuch Schloß Neuhaus, St. Heinrich und Kunigunde 1724-1798, online verfübar unter: https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/paderborn/DE_EBAP_10112/KB005-01-T/?pg=240 (zuletzt abgerufen am 13.05.2024).

[14] Taufbuch Schloß Neuhaus, St. Heinrich und Kunigunde 1724-1798, online verfübar unter: https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/paderborn/DE_EBAP_10128/KB003-01-T/?pg=232 (zuletzt abgerufen am 13.05.2024).

[15] Taufbuch Schloß Neuhaus, St. Heinrich und Kunigunde 1724-1798, online verfübar unter: https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/paderborn/DE_EBAP_10128/KB003-01-T/?pg=253 (zuletzt abgerufen am 13.05.2024).

[16] Sterbebuch Schloß Neuhaus, St. Heinrich und Kunigunde 1821-1843, online verfübar unter: https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/paderborn/DE_EBAP_10128/KB008-01-S/?pg=149 (zuletzt abgerufen am 13.05.2024).

[17] Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt. Westfalen, B 405 / Fürstbistum Paderborn, Geheimer Rat, Nr. 1251, Bl. 2, Hausnr. 29.

[18] Sterbebuch Schloß Neuhaus, St. Heinrich und Kunigunde 1724-1798, online verfübar unter: https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/paderborn/DE_EBAP_10128/KB003-03-S/?pg=98 (zuletzt abgerufen am 13.05.2024).

[19] Sterbebuch Schloß Neuhaus, St. Heinrich und Kunigunde 1799-1820, online verfübar unter: https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/paderborn/DE_EBAP_10128/KB006-01-S/?pg=94 (zuletzt abgerufen am 13.05.2024).

[20] Lehn, Isabell: Als ein Präsent aus Surinam, Detmold 2019.

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Allagabo Timm in Minden

Bereits in der frühen Neuzeit schmückten sich wohlhabende Adelsfamilien in Deutschland und anderen europäischen Ländern gerne mit afrikanischen Pagen und Bediensteten als Statussymbolen, und diese Tradition blieb bis ins 19. Jahrhundert ungebrochen und wurde sogar von Bürgerlichen adaptiert.[1] Im kurzen deutschen Kolonialzeitalter zwischen 1884 bis 1914 stammten viele afrikanische Bedienstete aus den deutschen Kolonien Kamerun, Togo, Deutsch-West- und Ostafrika.[2] Insbesondere Unternehmer und Händler brachten gerne Menschen anderer Hautfarbe als Mitbringsel, eine Art Trophäe, nach Europa mit. Auch deutsche Missionar*innen und Forscher führten Afrikaner*innen nach Deutschland. Einer von ihnen war Allagabo Timm. Er wurde von dem Naturwissenschaftler Georg Schweinfurth[3] „mitgenommen“ und bei dessen angeheiratetem Verwandten, dem „Afrikaforscher“ und Mediziner Gerhard Rohlfs[4], untergebracht.

Der „Afrikareisende“ Georg August Schweinfurth um 1868. Die Bildunterschrift lautet: „Dr. Georg August Schweinfurth. Nach einer Photographie von Milster in Berlin.“

Schweinfurth hielt sich des Öfteren in den Handelsniederlassungen arabischer Elfenbein- und Sklavenhändler auf und reiste in Karawanen mit. Im Frühjahr 1869 wurden ihm von seinen Geschäftspartnern drei Sklavenjungen als Bedienstete überlassen. Die genauen Gründe für die Überlassung sind unbekannt. Diese Jungen waren Giabar und Amber (über die kaum Informationen vorliegen) sowie Allagabo Timm.[5] Während Allagabo Timm aus der Gemeinschaft der Bongo stammte, ist über die Herkunft der beiden anderen Jungen nichts bekannt. Allagabo hatte zum Zeitpunkt seiner Übergabe an Schweinfurth schon länger in Gefangenschaft gelebt: der ursprünglich nach der Mimosenart ‚Lebbe‘ benannte Junge war schon als Kind aus seinem Dorf entführt und in ‚Tihm‘ umbenannt worden, was so viel wie ‚Baum‘ bedeutet. Später erhielt er von einem arabischen Sklavenhändler den Beinamen ‚Allagabo‘, was ‚Gottesgeschenk‘ bedeutet.[6]

Im Gegensatz zu den beiden anderen Jungen nahm Schweinfurth Allagabo Timm mit, zum Andenken an „manches Vergangene“, wie er seiner Mutter am 18.11.1871 schrieb.[7] In seinen Aufzeichnungen erwähnte er gelegentlich den Jungen und betonte, dass Allagabo Timm sich nun in einer glücklichen Position befände. Er habe Allagabo bei sich behalten und plante ihn mit nach Deutschland zu nehmen, weil „er von Vielen, Vielen der bei weitem Intelligenteste zu sein schien und in dem passenden Alter sich befindet sowohl sich zu akklimatisieren als auch zu zivilisieren.“[8] Nach drei Jahren in seiner Gesellschaft, in denen die beiden durch verschiedene Teile Afrikas, darunter Ägypten, gereist waren, habe Allagabo seine ursprüngliche Heimat fast vergessen, schrieb Schweinfurth 1871 an seine Mutter. [9] Allerdings war es Schweinfurth nach der Rückkehr nach Deutschland nicht möglich, Allagabo weiterhin in seiner Obhut zu behalten. Deshalb beauftragte er Rohlfs, den Mann seiner Nichte, mit dem er in regelmäßigem Briefverkehr stand, Allagabo bei sich in Weimar aufzunehmen. Die finanzielle Verantwortung für Allagabo Timms Unterhalt lag jedoch weiterhin bei Georg Schweinfurth. Es scheint, dass Schweinfurth, als er später in finanzielle Schwierigkeiten geriet, versuchte, sich dieser Verpflichtung zu entziehen. In einem Brief aus dem Jahr 1877, den er aus Kairo an Rohlfs schickte, schrieb er:

„Mit Allagabo sehe ich in Zukunft immer noch keine Pläne auftauchen. Als Schwarzer wird er nie in die deutsche Arbeitswelt hineinpassen. Hier erfordert seine neue Installierung neue Geldopfer […]. Wo ich noch das eigene Geld auftreiben werde, ist mir ein Rätsel. – Den Betrag, den ich Dir für Allagabo schulde, werde ich Dir entweder von Köln oder von Leipzig aus zusenden lassen.“[10]

Die Ansichtskarte zeigt die sog. „Fischerstadt“ in Minden am linken Weserufer um 1900.

Der weitere Lebensweg von Allagabo Timm nach seiner Taufe in Weimar[11] ist aus den Quellen nicht genau rekonstruierbar.[12] Nachdem er eine Weile in Hamburg die Schule besucht hatte, erreichte er Minden, was durch einen Eintrag im Anmelderegister von 1885 oder 1886 belegt ist. Er lebte zunächst beim einem Herrn Menzel, der Aussteller und Reisender war. Wir können nur mutmaßen, ob dieser Allagabo als exotisches Ausstellungsobjekt im Rahmen von völkerschauähnlichen Veranstaltungen einsetzte. Im Jahr 1888 war er dann bei dem Materialwarenhändler W. Kreimeier in Minden gemeldet.[13]Anschließend scheint er aus Minden abgereist zu sein, kehrte aber laut dem Briefwechsel zwischen Seidel (einem Lehrer Allagabos) und Rohlfs 1889 wieder dorthin zurück, bevor er sich im folgenden Jahr endgültig abmeldete.[14] Fünf Jahre später ist sein Tod durch einen Brief Schweinfurths an Rohlfs aus Kairo belegt:

„Ich war heute mit der Erbgroßherzogin Pauline bei den Pyramiden, und sie unterhielt sich viel mit mir, wobei namentlich von Dir die Rede war… Von der Frau Erbgroßherzogin erfuhr ich heute, dass Allagabo im vorigen Jahr gestorben sein soll, und dass er rührende Briefe an seine durchlauchten Paten gerichtet haben soll. Er scheint am Trunk zu Grunde gegangen zu sein. – Ob das wohl stimmt?“[15]

Zum Zeitpunkt seines Todes dürfte Allagabo ca. 30 Jahre alt gewesen sein.


[1] Anne Kuhlmann-Smirnov: Schwarze Europäer im alten Reich: Handel, Migration, Hof. Göttingen 2013, S. 60.

[2] Robbie Aitken: Black Germany. Zur Entstehung einer Schwarzen Community in Deutschland, in: Aus Politik und Zeigtgeschichte, Bundeszentrale für politische Bildung, 18.03.2022, https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/schwarz-und-deutsch-2022/506169/black-germany/#footnote-target-10 (zuletzt abgerufen am 09.02.2024).

[3] Georg Schweinfurth, am 29.12.1836 in Riga geboren, studierte Naturwissenschaften und reiste zwischen 1864 und 1866 zum ersten Mal nach Ägypten. Später tat er sich bei der Erforschung des Stromgebiets des Bahr al-Ghazal (einer Region im Sudan) am oberen Nil hervor. 1875 gründete er die geographische Gesellschaft in Kairo. Am 19.09.1925 verstarb er in Berlin. Van der Heyden, Ulrich; Gnettner, Horst (Hg.): Allagabo Tim. Der Schicksalsweg eines Afrikaners in Deutschland, Berlin 2008, S. 26-29.

[4] Gerhard Rohlfs wurde am 14. April 1831 in einem Stadtteil von Bremen geboren. Obwohl er von 1852 bis 1853 Medizin studierte, erlangte er nie einen Abschluss in diesem Fach. Im Jahr 1855 trat er der französischen Fremdenlegion in Algerien bei und erlernte die arabische Sprache. Im Jahr 1861 tarnte er sich als gläubiger Moslem und wurde vom Sultan zum Oberarzt der marokkanischen Armee ernannt. Bekannt wurde er durch seine ausgedehnte Afrikareise von 1865 bis 1867. Ab 1884 war er als Kolonialbeamter in Sansibar tätig. 1885 wurde er jedoch aus dem Dienst abberufen kehrte nach Deutschland zurück. Bereits im Jahr 1870 hatte er eine Nichte von Georg Schweinfurth geheiratet und mit ihr eine gemeinsame Wohnung in Weimar, in der später auch Allagabo Timm lebte. Rohlfs verstarb am 2. Juni 1896 bei Godesberg. Vgl.: Van der Heyden, Ulrich; Gnettner, Horst (Hgg): Allagabo Tim. Der Schicksalsweg eines Afrikaners in Deutschland, Berlin 2008, S. 29-33.

[5] Ebd. S. 21.

[6] Ebd. S. 21.

[7] Schweinfurth an seine Mutter, 18.11.1871, in: Van der Heyden, Ulrich; Gnettner, Horst (Hg.): Allagabo Tim, S. 37.

[8] Schweinfurth an seine Mutter, 21.12.1871, in: Gnennter, Horst: Tim Allagabo. Der Mohr von Weimar. Das Schicksal eines Bongo-Negers geschildert anhand von Briefen der Afrikaforscher Gerhard Rohlfs. Bremen 2002, S. 8f.

[9] Schweinfurth an seine Mutter, 18.11.1871, in: Van der Heyden, Ulrich; Gnettner, Horst (Hg.): Allagabo Tim, S. 37.

[10] Schweinfurth an Rohlfs,12.01.1877, in: Van der Heyden, Ulrich; Gnettner, Horst (Hg.): Allagabo Tim, S. 77.

[11] Bielefelder Wochenblatt, 25.07.1874.

[12] Zwischen 1883 und 1888 wurde er in der Korrespondenz zwischen Rohlfs und Schweinfurth nicht erwähnt, siehe Van der Heyden, Ulrich; Gnettner, Horst (Hg.): Allagabo Tim, S. 35.

[13] Rohlfs an Schweinfurth, 18.1.188, in: Van der Heyden, Ulrich; Gnettner, Horst (Hg.): Allagabo Tim, S. 110

[14] Seidel an Rohlfs, 14.01.1889, in: Van der Heyden, Ulrich; Gnettner, Horst (Hg.): Allagabo Tim, S.111.

[15] Schweinfurth an Rohlfs, 16.2.1896, in: Van der Heyden, Ulrich; Gnettner, Horst (Hg.): Allagabo Tim, S. 112.

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Mpondo Akwa in Paderborn

Nicht alle afrikanischen Kinder, die in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts nach Deutschland gebracht wurden, erfuhren dieses Schicksal gegen ihren Willen. Manche wurden auf ausdrücklichen Wunsch ihrer Eltern dorthin geschickt. Diese Eltern gehörten oft zur wohlhabenden Elite in Kamerun und Togo und strebten für ihre Kinder eine gehobene Bildung im kolonialen Mutterland an. Dies traf auf den ca. 1879 in Douala[1] (Kamerun), geborenen Mpondo Akwa, den Sohn des Königs Dika Akwa, zu.[2] Im Jahr 1888 wurde er im Alter von ungefähr neun Jahren nach Paderborn geschickt. Dies geschah gemeinsam mit drei anderen Jungen, die von Regierungssekretär Franz Anton Schran[3] nach Deutschland gebracht wurden. In Paderborn besuchte Mpondo Akwa als Schüler eines Pensionats die ‚Höhere Bürgerschule‘ von Heinrich Reismann und später eine Privatschule.[4] Er wurde zu einem angesehenen Gast der Oberschicht in der Stadt und ihrer Umgebung.[5] Jedoch wurden er und die anderen Jungen auch häufig verspottet und verhöhnt. Kurz nach ihrer Ankunft kam es sogar zu tumultartigen Auseinandersetzungen, wenn die kamerunischen Jungen von den Bürgern und Bürgerinnen betrachtet wurden. Eine Ausgabe des Westfälischen Volksblatts vom 15.06.1888 spekulierte sogar, dass die Jungen sich angesichts des Verhaltens der Paderborner als überlegene Menschen fühlen müssten, obgleich sie doch Wilde seien.[6]

Auf der ersten Schule, die er besuchte, fühlte Mpondo Akwa sich nicht wohl. Die Lehrer an der Reismannschule hielten ihn für arrogant, da er oft schlecht gelaunt gewesen sei. Infolgedessen bat er seinen Vater, für einen Schulwechsel zu sorgen, und zwar an eine Privatschule in Rheindahlen.[7] Einer seiner Lehrer hier vermutete, dass die früheren Lehrer*innen von Mpondo Akwa an der Reismannschule ihn möglicherweise zu rasch als stolz und arrogant eingeschätzt hätten. In seiner neuen schulischen Umgebung dagegen blühte der Prinz auf und erzielte herausragende schulische Leistungen.[8]

1893 kehrte Mpondo Akwa über Kiel nach Douala zurück, wo er auf Grund seiner Auslanderfahrungen für seine ethnische Gemeinschaft eine Berühmtheit darstellte.[9] Zeitweise arbeitete er als Übersetzer für die deutsche Regierung. Allerdings machte er sich rasch Feinde in der deutschen Kolonialverwaltung. So kritisierte er z.B., dass die einheimische Bevölkerung für „ein jedes geringes Vergehen in Zivil- oder Strafprozessen mittels einer Seekuhpeitsche oder eines dicken in Kohlenteer eingetauchten und im scharfen Sande (umhüllten) und steifgetrockneten Tau ohne Rücksicht der Person mit 25 Hieben gepeitscht“[10] wurde. Auf Grund der Kritik wurde Mpondo Akwa von Siedler*innen verfolgt, und wegen Meinungsverschiedenheiten kündigte er seine Stelle bei der Kolonialverwaltung.[11] Im Jahr 1898 dann wurde ihm vorgeworfen, einen Aufstand gegen die Kolonialregierung angezettelt zu haben.[12] 1902 kehrte Mpondo Akwa nach Deutschland zurück, um dort über die Widerstände gegen das Kolonialsystem in Kamerun zu berichten.[13] Hierbei griff er auf den Rechtsweg zurück.[14] Später wurde er mehrfach inhaftiert, z.B. wegen angeblichen Kreditbetrugs,[15] und seine Familie konnte ihn nur noch heimlich finanziell unterstützen.[16] Im Jahr 1911 reiste Mpondo Akwa wieder nach Douala, wo er von seinen Landsleuten als künftiger Herrscher empfangen wurde, der das Land von deutscher Herrschaft befreien und die britische Autorität wiederherstellen sollte.[17] Gouverneur Theodor Seitz betonte wiederholt anlässlich Petitionen[18] und Gerichtsverfahren in Deutschland, dass sowohl Mpondo Akwa als auch sein Vater eine ernsthafte Gefahr für die deutsche Herrschaft in Douala darstellten, auch auf Grund ihrer wirtschaftlichen Pläne zur Zentralisierung von Handel und Landwirtschaft in der Küstenregion. Politisch strebte Mpondo Akwa nicht die vollständige Abschaffung des Kolonialsystems an, sondern setzte sich für eine Verwaltung ein, die durch die schrittweise Einbindung lokaler Vertreter in die Entscheidungsfindung gekennzeichnet sein sollte. Seine Vorstellung von einem unabhängigen Douala-Staat, der die präkoloniale Vorherrschaft über benachbarte ethnische Gruppen wiederherstellen sollte, blieb Vision.[19]

Mpondo Akwa als entschiedener Gegner der Siedler*innen erlangte lokale Berühmtheit. Seine steigende Beliebtheit bei der einheimischen Bevölkerung basierte nicht nur auf seinem königlichen Status, sondern auch auf seinen rechtlichen und politischen Erfolgen in Deutschland.[20] Diese waren wohl auch der Grund, warum er von der deutschen Kolonialregierung wegen verdächtiger Spendenaktionen und seiner politischen Haltung genauer untersucht wurde. In Mpondo Akwas Palast wurden Briefwechsel gefunden, die nicht nur seine Kritik am deutschen Kolonialismus belegen, sondern auch Pläne zum Sturz von Gouverneur von Puttkamer sowie Verbindungen zu deutschen Parlamentariern wie Mathias Erzberger und August Bebel, bekannte Kritiker des deutschen Kolonialregimes.[21] Im Jahr 1911 wurde der König daraufhin enteignet. Diese Behandlung führte wiederum zu Unruhen in Douala und schließlich am 22. September 1911 zu seiner Verhaftung, zusammen mit seinem Vater. Grundlage für diese Verhaftung waren falsche Anschuldigungen seines Bruders, Chief Dibusi Dikas, der behauptete, Mpondo Akwa habe Waffen mitgebracht, um einen Aufstand zu provozieren und Kamerun an die Briten zu übergeben. Angeblich habe er auch Kontakt zum britischen König Edward aufgenommen, um eine britische Übernahme von Kamerun zu unterstützen. Mpondo Akwa wurde im Sommer 1912 zu einer achtmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, die er in einem Kolonialgefängnis in Banyo an der Grenze zu Nigeria absitzen sollte. Nach einem fehlgeschlagenen Fluchtversuch im April 1913 wurde der Prinz von Banyo nach Ngaoundéré[22] verbracht und im Juni desselben Jahres zu weiteren drei Jahren Gefängnis verurteilt. Er überlebte die Gefangenschaft nicht: 1914 wurde er von seinen Bewachern erschossen, angeblich bei einem erneuten Fluchtversuch. Mpondo Akwa stellt bis heute einen wichtigen Kameruner Erinnerungsort für den Widerstand gegen die deutsche Kolonialherrschaft dar. [23]


[1] „Douala“ bezieht sich auf die Hafenstadt, während „Duala“ auf die Gruppe von Kaufleuten hinweist, die dort ansässig waren. Das Hamburger Fremdenblatt berichtete im Jahr 1905, dass Mpondo im Jahr 1874 geboren worden war. In der Alphabetischen Meldekartei Groß-Altona wurde jedoch das Jahr 1879 als Geburtsjahr angegeben. Siehe: The Story of Mpondo Akwa (1905): Background to the Trial, 16.10.2006, http://www.peuplesawa.com/fr/bnnews.php?nid=468&vip=603&sites=0 (Promoter der Seite: Metusala Dikobe) .

[2] Aitken, Robbie: Black Germany. Zur Entstehung einer Schwarzen Community in Deutschland. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 12: Schwarz und Deutsch, 18.03.2022, https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/schwarz-und-deutsch-2022/506169/black-germany/(zuletzt abgerufen am 11.10.2023).

[3] Siehe Blogbeitrag zu Franz Anton Schran von Aminah Schneider.

[4] Eberhardt, Jonas: „Schwarze Menschen“ aus Afrika in Paderborn in der Zeit des Kolonialismus. In: Die Warte. Heimatzeitschrift für die Kreise Paderborn und Höxter 195(2022), S. 5 – 9 bis, hier S. 6.

[5] Ebd.

[6] Westfälisches Volksblatt, 15.06.1888.

[7] Nyada, Germain: Mpondo Akwa Nya Bonambela (1875-1914) or how to shape colonial amnesia, Kamerun 2022, S. 388.

[8] Ebd.

[9] Ebd.

[10] Aus den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Reichstags, 11. Legislaturperiode, 4. Anlageband, 21. Sitzung, Berlin 20.03.1906, S. 2170 (B), online einzusehen via: https://daten.digitale-sammlungen.de/~db//bsb00002826/images/index.html?id=00002826&groesser=&fip=eayayztsewqeayaxssdasyztsqrseayaxs&no=&seite=00377&koordinaten=x1:90×2:65y1:93y2:66—x1:74×2:70y1:77y2:71—x1:62×2:74y1:65y2:75—x1:85×2:74y1:88y2:75 (zuletzt abgerufen am 09.10.2023)

[11] Nyada: Mpondo Akwa Nya Bonambela, S. 389.

[12] Ebd.

[13] The Story of Mpondo Akwa (1905): Background to the Trial.

[14] Oguntoye, Katharina: Prekäre Subjekte – Die afrikanische Diaspora in Deutschland vom 18. Jahrhundert bis zum Nationalsozialismus, in: Freiburg-Postkolonial.de, online verfügbar via: https://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/2009-Oguntoye-afrikanische-Diaspora.htm (zuletztabgerufen am 09.10.2023).

[15] Nyada: Mpondo Akwa Nya Bonambela, S. 389.

[16] Ebd.

[17] Viele Menschen betrachteten die britische Verwaltung als die bessere Option, da sie die Verwaltungspraktiken in den angrenzenden britischen und französischen Kolonien als weniger belastend empfanden. Vgl.: Authaler, Caroline: Das völkerrechtliche Ende des Deutschen Kolonialreichs. Globale Neuordnung und transnationale Debatten in den 1920er Jahren und ihre Nachwirkungen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 69 (2019) 40-42, S. 4 – 10, hier S. 8.

[18] Der Prinz war Teil einer Delegation, die beabsichtigte, persönlich Kaiser Wilhelm II. zu treffen. Sie planten, ihn über ihre vollständige Ablehnung des kolonialen Systems in Kamerun zu informieren. Im Rahmen dieser Bemühungen reichten sie eine Petition ein, die von 28 Häuptlingen der Akwa-Familie unterzeichnet war. Vgl.: Germain, S. 389. In der Petition wiesen sie auf Ungerechtigkeiten und Brutalitäten von Puttkamers hin, darunter die bereits erwähnten Stockschläge sowie der Kauf von Mädchen aus ihren Familien. Die Petition forderte ein Ende dieser Praktiken. Als von Puttkamer von der Petition erfuhr, erhob er Anklage wegen Verleumdung und Beleidigung gegen die Unterzeichner, die daraufhin in Untersuchungshaft genommen wurden. Aus den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Reichstags, 11. Legislaturperiode, 4. Anlageband, 70. Sitzung, Berlin 29.03.1906, S. 2137 (C).

[19] Nyada: Mpondo Akwa Nyae Bonambela, S. 395.

[20] Ebd.

[21] Ebd.

[22] Ngaoundéré ist eine Stadt im Zentrum Kameruns, Hauptstadt der Region Adamawa. Sie wurde 1901 von den deutschen Kolonialtruppen besetzt.

[23] 1919 sammelte ein nigerianischer Seemann in Britisch-Guayana Geld mit der Behauptung, Mpundo Akwa zu sein, vgl. Nyada: Mpondo Akwa Nya Bonambela, S. 395f.

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Die dunkle Seite des Liborifests: Völkerschauen in Paderborn

Im Sommer 2023 feierte das Liborifest in Paderborn sein 500-jähriges Jubiläum und lockte 1,6 Millionen Gäste mit einer Vielfalt an Fahrgeschäften, kulinarischen Angeboten und musikalischen Elementen an. Den wenigsten Besucher*innen dürfte bewusst gewesen sein, dass bis in die 1930er Jahre auch sog. „Völkerschauen“ regelmäßiger Bestandteil des Liborifests waren, die als rassistisches und menschenverachtendes Unterhaltungsprogramm in Paderborn ebenso wie in zahlreichen anderen deutschen Städten stattfanden. Erst mit dem wachsenden Interesse an der historischer, kolonialer Verflechtungen in der Geschichte wird dieses Phänomen vor Ort genauer untersucht, um ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Liborifest aufzuarbeiten. Dabei ergänzt dieser Artikel die Ergebnisse des Aufsatzes „Die Liborikirmes“ von Andreas Gaidt aus dem Sammelband „500 Jahre Libori“.[1] 

Die „Wilden“ auf dem Liborifest

Die erste Ausstellung „exotischer“ Menschen auf dem Liborifest fand bereits im Jahr 1831 statt. Werbung für die Veranstaltung findet sich in der Zeitung „Paderbornsches Intelligenzblatt“ vom 23. Juli 1831. Der Schausteller C. R. Prins aus dem niederländischen Groningen stellte neben Menschen aus fernen Weltregionen auch ein „holländisches Bauernmädchen aus Montfoord“ sowie ein Nilkrokodil aus. Zudem wurden „seltene“ ethnografische Gegenstände aus „Ost- und Westindien“ sowie aus Brasilien ausgestellt, und eine „kupferfarbige Frau von Tenekeker“. Sie stammte von den Selebischen Inseln (heute Sulawesi in Indonesien), die Teil des niederländischen Kolonialreichs waren. Die Frau habe in „allen größeren Hauptstädten“[2] für Verwunderung gesorgt. Möglicherweise spielte die Werbung damit auch auf Wunsch der in der Provinz lebenden Menschen an, nicht provinziell zu sein, sondern die gleichen Attraktionen zu sehen zu bekommen wie die Großstädt*innen. Außerdem wurden in der Annonce „Naturforscher“ angesprochen, um die Schaulust der Zuschauer*innen durch einen Bezug zur Wissenschaft zu legitimieren. Ob die ethnografischen Gegenstände nur als Schauobjekte benutzt wurden oder als Requisite in einer Schau Verwendung fanden, bleibt unklar.[3] Die Schau fand „hinter dem Fürsten Hofe am Dome“ statt: Eine Unterscheidung zwischen dem kirchlichen und dem kulturellen Teil der Liborikirmes gab es noch nicht.

Ein sog. „Raubtier-Schaugeschäft“ auf der Liborikirmes im Jahr 1938. Unter der Werbetafel mit Jagdszenen steht: „Mit Trommeln und Kriegsgeschrei auf zur Löwenjagd in den ehem. deutschen Kolonien Ost- und Südwest-Afrika.“

Die zweite Völkerschau auf dem Liborifest fand 1835 statt, wie das Paderbornsche Intelligenzblatt vom 25. Juli 1835 belegt. Die Schaustellerin Emma Weinance stammte aus der niederländischen Stadt Bergen op Zoom.[4] Zudem wurde ein „National-Bokkenee“ aus Macassar (in der heutigen indonesischen Region Südsulawesi) beworben. Angeblich wurde dieser in einem dreistündigen Gefecht von Kolonialtruppen besiegt, gefangen genommen und als Sklave verkauft, wobei die Narben der Kämpfe auf seinem Körper noch zu sehen seien – dadurch wird auf die vermeintliche Gefährlichkeit des ausgestellten Mannes verwiesen. Die Beschreibung bediente gleichzeitig die Bedürfnisse der Zuschauer*innen, indem sie den Ausgestellten als „Wilden“ inszenierte, der durch die Kolonialtruppen der Zivilisation zugeführt worden sei. Es erfolgte somit eine Legitimation des Kolonialismus, die durch weitere Aspekte der Inszenierung noch verstärkt wurde: Seine Kinder und Frau seien ebenfalls gefangen genommen worden, wobei letztere allerdings bereits aufgrund der klimatischen Bedingungen verstorben sei – ein Schicksal, das den ausgestellten Menschen oft auf ihren Reisen ereilte, auch auf Grund von Krankheiten, gegen die sie keine Immunitäten mitbrachten.[5] Nun kümmere sich der Bokkenee liebevoll um seine Kinder – was im Gegensatz zu den barbarischen Eigenschaften steht, die die Zuschauer*innen erwartet hätten. Die Ausgestellten würden „Reis mit spanischem Pfeffer und Fisch“ verzehren – für das Publikum „exotische“ Speisen, die den Reiz des Fremden noch erhöhen sollten. Bei manchen Völkerschauen wurden während der Show sogar Tiere zum Verzehr geschlachtet, was den Eindruck des „barbarisch Wilden“ unterstrich. Die Tochter allerdings, so die Werbeanzeige weiter, habe sich zum Christentum bekehrt, etwas Niederländisch erlernt und begleite ihren Gesang mit der Harfe. Hier wird der Anspruch deutlich, die „Exoten“ nicht etwa nur auszustellen, sondern ihnen gleichzeitig auch die überlegene Zivilisation und Kultur zu vermitteln. Dadurch wurde zum einen das Hierarchiegefälle zwischen den Westeuropäer*innen und den vermeintlichen Naturvölkern dargestellt und zum anderen erfolgte erneut eine Legitimation der kolonialen Praktiken.

1839 lässt sich eine dritte „Völkerschau“ auf Libori nachweisen, ebenfalls durch eine Anzeige im Paderbornschen Intelligenzblatt.[6] Der Schausteller Herkules H. Winter bewarb seine „große indianische, herculessche Vorstellung“, in der er auch das Bild vom „starken Wilden“ aufzeigte. Bereits zuvor waren Auftritte von Männern mit außerordentlichen Kräften ein fester Bestandteil auf Volksfesten, aber ergänzend nutze der Schausteller die Herkunft des Ausgestellten als weitere Besonderheit seiner Schau. Der aus der niederländischen Kolonie Napan (heutiges Indonesien) stammende Ausgestellte werfe eiserne Kanonenkugeln in die Luft und fange sie mit Brust und Rücken auf. An einer Stange hängend werde er sodann mit großem Gewicht behangen. Weil die Größe der Standplätze auf dem Domplatz nicht für die neu erbaute Bude ausreichte, fand die Vorstellung „vor dem Casseler Thore“ statt.

Erst 21 Jahre später weist der Anzeiger für den Kreis Paderborn vom 28. Juli 1860 auf eine weitere Völkerschau hin, zu der ein Schausteller namens Fr. Schneider auf den Liboriberg einlud. Schneider warb mit „fremde[n] (D. F.) und seltene[n] (D. F.) Menschen aus den entferntesten Theilen der Erde“. Erstens werde ein „Heliofobus“ ausgestellt, ein Mensch mit Albinismus aus Panama. Linné habe Menschen mit dieser Erbkrankheit als „entartetes Menschengeschlecht“[7] beschrieben – ein weiterer Bezug zur Naturwissenschaft. Genau beschrieb Schneider das Aussehen des Ausgestellten, insbesondere seine „rothe[n] und eckige[n] Augensterne“, mit denen er bei Nacht besser sehe als am Tag. Zweitens werde eine Indianerin aus der Botanie Bay (heute Australien) beim Gebrauch ihrer Waffen vorgeführt.[8] Sehr typisch für „Völkerschauen“ zeige die Indianerin außerdem „wie [sie] sich durch Singen und Tanzen in ihrer Heimath belustigen“. Je pittoresker diese Sitten und Bräuche waren und je mehr sie die Erwartungen des Publikums bedienten, desto eher war dieses bereit, sie als Ausweis von „Authentizität“ zu akzeptieren – völlig unabhängig davon, ob sie den tatsächlichen Lebensbedingungen der Ausgestellten in ihren Herkunftsländern entsprach oder nicht. Es wurden folglich hauptsächlich die Bilder in den Köpfen der Westeuropäer*innen als Maßstab für die Schauen genutzt, wodurch es weniger um ethnografische Betrachtungen ging als vielmehr um die Bestätigung der rassistischen Stereotype der Zeit: Die Schauen waren ein Konsumgut. Ganz in diesem Sinne kündigte die Werbung an, die Indianerin werde „lebendes Federvieh und rohe Wurzeln“ verzehren.

Völkerschauen nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871

Am  31. Juli 1875 wies eine Annonce im Westfälischen Volksblatt wiederum auf eine Ausstellung „Albinöserinnen aus Madagaskar“ im Alter von 19 und 21 Jahren hin, deren fast ein Meter lange[s] und „schneeweiße[s] Lusthaar“ neben den „blutrothe[n] Augenpupillen“ besonders hervorgehoben wurde. Der unbekannte Schausteller richtete seine Werbung an „Naturfreunde“, zu denen sicherlich auch viele Paderborner*innen, die nicht der winzigen naturwissenschaftlichen Elite der Stadt angehörten, sich gerne zählen wollten. Zuschauer*innen, die seine Darstellerinnen als „Fälschung“ entlarven könnten, bot der Werbende „1000 Thaler Belohnung“, um die Attraktivität weiter zu erhöhen.  

Die wohl bekannteste Völkerschau fand auf dem Liborifest 1893 statt. Der Schausteller Carl Lauschke warb sowohl im Westfälischen Volksblatt als auch im Paderborner Anzeiger für seine „Emin Pascha Shuli-Suaheli-Neger-Carawane“[9]. Die Überschrift „Zum ersten Male in Europa!“ hob das Sensationelle der Schau hervor. Anders als über die meisten Schausteller der Völkerschauen in Paderborn finden sich über Lauschke zusätzliche Informationen. Er war mit einer Mulattin verheiratet, womit das Stereotyp der sexuellen Anziehung „exotischer“ Menschen perfekt bedient wurde.[10] Seine Frau setzte Lauschke auf Volksfesten und Jahrmärkten als Kassiererin ein, um für Aufsehen zu sorgen. Daneben platzierte er auch einen dunkelhäutigen, mit Kriegsbemalung versehenen Darsteller als menschliche Werbung vor seiner Schaubude. Lauschke selbst blies durch eine Muschel und bewarb seine Schau lautstark, wobei er gängige Stereotype bediente:[11] Die Ausgestellten tränken kochendes Wasser, würfen mit Eiszapfen und verspeisten ein lebendes Kaninchen.

Eine Schießbude auf der Liborikirmes im Jahr 1963. Auf dem Bild der Fassade muss ein europäischer Großwildjäger Indigene vor einem Löwen beschützen.

Lauschke kündigte zudem „Darstellungen ihrer eigenthümlichen Kriegsführung“[12] an, „Keulen- und Schwerterspiele“ sowie „phantastisch wilde[n] Tänze und heimische[n] Gesänge“. Höhepunkt sei eine „große afrikanische Kriegscene“. Lauschke versammelte also gezielt solche Elemente, die dem europäischen Publikum die eigene Überlegenheit klar vor Augen führten. Der Preis für die Teilhabe an der Völkerschau betrug 50 Pfennig in bester Kategorie und 30 Pfenning in der zweitbesten, wodurch er für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich war.

Ende der Völkerschauen in Paderborn

Für die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg lassen sich in Paderborn an die zehn Völkerschauen nachweisen – es könnten weitaus mehr gewesen sein, die jedoch nicht in den Zeitungen beworben wurden. Bemerkenswert ist, dass kein Schausteller mehr als eine „Völkerschau“ auf dem Liborifest veranstaltete. Das könnte ein Indikator dafür sein, dass die in den Großstädten überaus erfolgreichen „Völkerschauen“ im kleinen Paderborn längerfristig nicht den nötigen Ertrag abwarfen. Sie scheinen niemals so erfolgreich gewesen zu sein, dass ein Schausteller noch einmal wiederkam, und die Abstände zwischen den einzelnen Angeboten sind teilweise sehr lang. Das großstädtische Phänomen fand auf dem Paderborner Liborifest offensichtlich nicht die optimalen Standortbedingungen.

Ab den 1920er Jahren ist auf lokaler und nationaler Ebene ein Rückgang der Völkerschauen als Massenmedium erkennbar, eine Entwicklung, die vor allem dem neuen Medium Film geschuldet war, welches zunächst im Rahmen öffentlicher Kinovorstellungen gezeigt wurden. In Paderborn fanden im 20. Jahrhundert noch einige „Völkerschauen“ statt, allerdings als Teil von Zirkusvorführungen.  Als dann nach dem Zweiten Weltkrieg der zunehmende Massentourismus es den Menschen in Westeuropa ermöglichte, selbst in ferne Gegenden zu reisen, und das Fernsehen die Wohnzimmer eroberte, starb die „Völkerschau“ als Unterhaltungsmedium aus.


[1] Gaidt, Andreas: Die Liborikirmes, in: Gaidt, Andreas; Grabe, Wilhelm; Rade, Hans-Jürgen (Hg.): 500 Jahre Libori, Paderborn 2023, S. 154-209.

[2] Paderbornsches Intelligenzblatt, 23.07.1831.

[3] Thode-Arora, Hilke: Hagenbecks Europatourneen und die Entwicklung der Völkerschauen, Hagen 2012, S. 165.

[4] Paderbornsches Intelligenzblatt, 25.07.1835.

[5] Dreesbach, Anne: Gezähmte Wilde: Die Zurschaustellung „exotischer“ Menschen in Deutschland 1870 – 1940, München 2005, S. 72.

[6] Paderbornsches Intelligenzblatt, 31.07.1839.

[7] Anzeiger für den Kreis Paderborn, 28.07.1860.

[8] Kampftechniken stellten ein häufiges Element der „Völkerschauen“ dar, vgl. Hilke, Thode-Arora: Hagenbeck. Tierpark und Völkerschau, in: Jürgen Zimmerer (Hg.): Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Frankfurt/New York 2013, S. 244 – 256, hier S. 249.

[9] Paderborner Anzeiger, 22.07.1893.

[10] Pape, Rainer (2000): Von der preußischen Garnison zur Schaustellerstadt – Aus der Geschichte der Herforder „Künstler“, in: Der Remensnider. – 85/86 = Jg. 22, Herford 1994, S. 75 – 168, hier S. 115.

[11] Eberhardt, Jonas: „Schwarze Menschen“ aus Afrika in Paderborn in der Zeit des Kolonialismus, in: Die Warte. Heimatzeitschrift für die Kreise Paderborn und Höxter 195 (2022), S. 5 – 9, hier S. 8.

[12] Paderborner Anzeiger, 22.07.1893.

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Vom Sauerland nach Paderborn, über Kamerun ins „Nirgendwo“ – das „Mysterium“ Franz Anton Schran (1850-1895?)

Beschäftigt man sich mit der kolonialen Vergangenheit Paderborns, taucht ein Name immer wieder auf: Franz Anton Schran. Der Maschinist, Bau- und Regierungsinspektor war in Kamerun und Liberia tätig, von wo er auch vier schwarze Jungen mit in die Stadt brachte. Das  Westfälische Volksblatt beschrieb den geachteten und fleißigen Bürger 1888 als passionierten Kolonialisten:

„Man findet allgemein die Ansicht vertreten, daß unsere Colonial-Bestrebungen in West-Afrika als gescheitert und verfehlt zu betrachten sind. Dieser Auffassung tritt ganz entschieden der jetzt aus Kamerun zurückgekehrte Regierungs-Secretär Herr Ingenieur Franz Schran entgegen, der überzeugt ist, daß dieses Land für Deutschland noch eine große Zukunft haben wird. […] So wird auch Paderborn in die Lage kommen, wenn auch in ganz bescheidenem Maße, das Seinige zu unserem Colonial- Bestrebungen beizutragen.[1]

Nur wenige Jahre später ermittelten aber sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft gegen Schran. Wie konnte es dahin kommen?

Schran’s rasanter beruflicher Aufstieg im kolonialen Kontext

Geboren am 07. April 1850 in Oberkirchen an der Lenne im Hochsauerland-Kreis, besuchte Franz Schran zunächst die Rektoratsschule in Schmallenberg und schließlich die Gewerbeschule erster Ordnung in Münster. Sein Vater besaß mehrere Hammerwerke, Schiefer-, Blei-, und Eisensteingruben sowie eine Wagenachsen-Fabrik. Während der Schulferien und nach Beendigung der schulischen Laufbahn erlernte Schrank das Maurer- und Zimmerer-Gewerbe. Da er darüber auch Kenntnisse als Dampfmaschinist, Lokomotivführer und Kesselschmied hatte, fand er Beschäftigung bei der „Association Internationale du Congo.“[2] Im Jahr 1881 schloss er sich der Expedition von Henry Morten Stanley in den Kongo an und wurde dort zwei Jahre später als Ingenieur für eine Handelsniederlassung der Firma Woermann eingestellt, die bereits im Jahr 1837 gegründet worden war und sich zunächst auf den Handel mit Leinen und Töpferwaren spezialisiert hatte. Im Zuge des aufkommenden Afrikahandels etablierte die Firma zahlreiche Niederlassungen, darunter in Gabun und Kamerun.[3] Im Jahr 1887, noch während der Amtszeit von Reichskanzler Bismarck, wechselte Schran von der Privatwirtschaft in den Staatsdienst: Er übernahm eine Stelle als Sekretär der deutschen Kolonialregierung in Kamerun. Die berufliche Anerkennung blieb nicht aus, wie der Aachener Anzeiger berichtete:

Als Schran im Frühjahr 1888 einen Erholungs-Urlaub nach Deutschland antrat, sprach der Gouverneur v. Soden in einem Berichte an den damaligen Decernenten für die Kolonien, Geh. Rat Kranel, jetzigen Gesandten in Buenos Aires, seine volle Zufriedenheit über die Leistungen Schrans aus und bat den Decernenten, auch seinerseits Herrn Schran ein Wort der Anerkennung zu sagen und demselben, wenn möglich, den Titel als Bauinspektor oder Baurat zu verschaffen.[4]

Wegen seiner beruflichen Verdienste erhielt Schran schließlich am 13. Juli 1888 den Titel eines Bauinspektors, womit ihm die Verantwortung für das gesamte Bauwesens in Kamerun übertragen wurde. Doch die Anerkennung beschränkte sich nicht nur auf sein berufliches Geschick, sondern auch seine körperliche Widerstandsfähigkeit gegenüber den extremen klimatischen Bedingungen in Afrika fand Beachtung: „[…] man freute sich, daß sein Körper dem mörderischen Klima erfolgreich Stand zu halten schien.“[5] In seinem Lebenslauf berichtete Schran von seinem Alltag in der Kolonie, auch von einer scheinbar alltäglichen Situation, in der 250 Einheimische Wägen mit Schiffsteilen mithilfe von Zugseilen ziehen mussten, wobei ihr Zusammenbrechen nicht zu verhindern gewesen sei.[6]

Die Brücke zwischen zwei „Welten“: Franz Schran und die Verbindung zu Paderborn

Seinen Heimaturlaub im Jahr 1888 wollte Schran wie üblich in Paderborn verbringen, wo seine Frau Franziska Drees[7] lebte – sie begleitete ihn nicht nach Kamerun. Diesmal aber brachte er Begleitung mit: Die Deutsche Kolonialzeitung berichtete am 30. Juni 1888:

„Unter den Passagieren, welche mit dem letzten Woermannschen Dampfer aus Afrika herübergekommen sind, war auch der kaiserliche Regierungssekretär beim Gouvernement in Kamerun, Ingenieur Schran, welcher den Dampfer in Havre verlassen hatte, um von dort die Landreise zu machen, hier eingetroffen um seine Schutzbefohlenen in Gestalt von sechs jungen Afrikanern mit in seine westfälische Heimat zu nehmen.“[8]

Auch das Paderborner „Westfälische Volksblatt“ berichtete von der Ankunft der jungen Männer, auf die die Paderborner Bevölkerung mit großer Aufregung reagierte. Die Zeitung beschrieb eine außerordentliche Anziehungskraft auf die Einwohner:innen und berichtete von „tumultartigen Scenen“[9], die bei den ortsansässigen Bewohner:innen ausgelöst wurden. Während aber die Deutsche Kolonialzeitung von sechs Jungen aus Afrika berichtete, war im Westfälischen Volksblatt lediglich von vieren die Rede. Hatte Schran zwei von ihnen irgendwo anders hingebracht? Die vier Jungen, über die das Westfälische Volksblatt berichtete, waren 9-13 Jahre alt. Sie stammten aus Kamerun und Liberia und hießen (vor ihrer Taufe) Mpondo Akwa, Joseph Timba, Dagué und Akwa M’bange. Nach ihrer Ankunft fanden sie zunächst vorübergehend Unterkunft in der Gaststätte (und Kolonialwarenhandlung) in der Giersstraße 31, die heute als Gaststätte „Akademie“ bekannt ist. Dort wurden sie von Schran‘s Schwager, Franz Drees beherbergt. Ihr weiteres Schicksal hat Jonas Eberhardt zu recherchieren versucht.[10]

Die Giersstraße um 1914. Vorne Rechts ist die Gaststätte, heute „Akka“, zu sehen, in der u. a. Mpondo Akwa vorrübergehend Unterkunft fand.

Rätselhafter Abstieg: Das Verschwinden ins „Nirgendwo“

Auf Grund von gesundheitlichen Beeinträchtigungen sah Schran sich zwei Jahre später gezwungen, seinen Dienst in Kamerun zu quittieren, was seinem hervorragenden Ruf aber zunächst keinen Abbruch tat. Aufgrund einer erneuten Empfehlung von Gouverneur Julius von Soden und Geheimem Rat August Busse aus dem Reichsamt des Inneren, welche eine Beschäftigung von Schran als besonders wünschenswert erachteten, war er darauffolgend zwischen 1890 und 1895 für die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes tätig. Auch hier erfüllte er seine Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten […].“[11] Allgemein galt Schran als „gut empfohlener, tüchtiger Beamter“, was die nachfolgenden Ereignisse nur noch rätselhafter macht.

Im Jahr 1895 verschwand Franz Schran, um dessen übermäßigen Alkoholgenuss sich bereits Gerüchte rankten,[12] plötzlich und unerwartet aus Berlin, jedoch nicht ohne „krampfhafte Versuche“,  sich „Reisegeld zu verschaffen“, wie der Aachener Anzeiger es formulierte. Die Zeitung berichtete von einer geplanten Unterschlagung in Höhe von 50.000 Mark. Diese Summe wollte Schran im Kontext der Vorbereitung zur Deutschen Kolonialausstellung in Berlin von einem Weinhändler als Kaution für die Erteilung einer Ausschankerlaubnis im Treptower Park kassieren. Nach einer Besichtigung vor Ort nahm der Weinhändler jedoch von dem Geschäft Abstand.[13] Außerdem wurde Schran beschuldigt, als Vorsitzender des Arbeitsausschusses für die Deutsche Kolonialausstellung im Jahre 1896 10.000 Reichsmark für die Beschaffung von Ausstellungsobjekten unterschlagen zu haben. Einer Aufforderung zur öffentlichen Darlegung seiner Abrechnung war er am 26. September 1895 aufgrund von Unwohlsein nicht nachgekommen. Als Schran zum Wiederholungstermin am 1. Oktober 1895 wieder nicht erschien, begaben sich Beamte zu seiner Wohnung. Dort trafen sie lediglich auf Schran’s Vermieterin, der er 500 Reichsmark schuldete, und der er erzählt hatte, dass er zu einer Schiffsabnahme nach Wilhelmshaven müsse.[14] Ab diesem Zeitpunkt verliert sich Schrans Spur.

Das Wittener Tagesblatt berichtete von einer steckbrieflichen Verfolgung des Flüchtigen und bemerkte tadelnd: „Daß jene Ernennung [zum Bauinspektor] auf die Wertschätzung des Mannes und auf das Maß des Vertrauens, das das Hauptkomitee der Berliner Gewerbe- Ausstellung ihm geschenkt hat, nicht ohne Einfluß gewesen ist, liegt auf der Hand.“[15] Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung berichtete im März des folgenden Jahres von der Verhandlung gegen Schran in Abwesenheit vor der Reichsdisziplinarkammer in Potsdam: „Es liegt ihm zur Last, daß er unter fälschlichen Vorspielungen seinen Dienst böswillig verlassen und deshalb gegen die Bestimmungen […] betr. die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten verstoßen hat.“[16] Er wurde aus dem Dienst entlassen, blieb aber weiterhin verschwunden. Seine in Paderborn wohnhafte Frau, von er bereits seit einigen Jahren getrennt lebte, konnte keine Auskunft geben. Die beiden hatten zwei Söhne, die in Leipzig erzogen wurden, und für die Schran vor seinem Verschwinden aufgekommen war, was seine Schulden noch erhöhte.[17]

Zahlreiche Zeitungsberichte vermochten das „Mysterium Schran“ nicht zu entschlüsseln. Warum der begeisterte Anhänger des Kolonialgedankens und tüchtige Beamte, nachdem er sich aus bescheidenen Lebensverhältnissen hochgearbeitet und durch eine verantwortungsbewusste Arbeitshaltung ausgezeichnet hatte, auf diese Weise verschwand, darüber können wir nur spekulieren.


[1] Westfälisches Volksblatt, 15.06.1888.

[2] Aachener Anzeiger, 22.10.1895.

[3] C. Woermann, Geschichte, https://www.c-woermann.de/deutsch/geschichte, Zugriff am 15.08.2023; Todzi, Kim Sebastian: Unternehmen Weltaneignung. Der Woermann-Konzern und der deutsche Kolonialismus 1837-1916, Göttingen 2023.

[4] Aachener Anzeiger, 22.10.1895.

[5] Ebd.

[6] Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Personalakte Franz Anton Johann Schran, PA 1 Nr. 13816 (10).

[7] Ebd., PA 1 Nr. 13815 (7).

[8] Deutsche Kolonialzeitung, 30.06.1888.

[9] Westfälisches Volksblatt, 15. 6. 1888.

[10] Eberhardt, Jonas, „Schwarze Menschen“ aus Afrika in Paderborn in der Zeit des Kolonialismus, in: Die Warte 195 (2022), S. 5-9.

[11] Aachener Anzeiger, 22.10.1895.

[12] Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 12.03.1896.

[13] Aachener Anzeiger, 22.10.1895.

[14] Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 12.03.1896.

[15] Wittener Tagesblatt, 21.10.1895.

[16] Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 12.03.1896.

[17] Bürger-Zeitung für Düsseldorf, 15.10.1895.

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Kolonialverbrechen in Südwestafrika? Das Westfälische Volksblatt in Paderborn über den Aufstand der Herero und Nama

„An den heutigen Maßstäben des Völkerrechts gemessen war die Niederschlagung des Herero-Aufstands ein Völkermord.“[1] Diese Worte schrieb der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert 2015 in einem Beitrag für die ZEIT. Dabei bezog er sich auf die Niederschlagung des Herero- und Nama-Aufstands in den Jahren 1904 bis 1908, vor mittlerweile fast 120 Jahren. Das Deutsche Kaiserreich als europäischer „Spätzünder“ in Sachen Kolonialherrschaft besaß zu diesem Zeitpunkt einige Kolonien in Afrika und der Südsee. In Südwestafrika, dem heutigen Namibia, rebellierten die Indigenen gegen die deutsche Kolonialmacht. Bei der Niederschlagung des Aufstandes verloren je nach Berechnung bis zu 80.000 Herero und Nama ihr Leben.

Aktueller denn je: Postkoloniale Studien und Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit

Mit der Anerkennung dieses Verbrechens als Völkermord tat sich die Bundesrepublik lange schwer: Zwar gab es seit der Unabhängigkeit Namibias im Jahre 1990 sogenannte „entwicklungspolitische Sonderbeziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu Namibia“[2], diese gingen jedoch über umfangreiche Entwicklungshilfegelder nicht hinaus und verstanden sich dezidiert nicht als Entschädigung. Eine juristisch verpflichtende Anerkennung der Verbrechen als Völkermord steht also bis heute aus, obwohl Historiker*innen sich mehrheitlich einig sind, dass das Vorgehen der ‚Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika‘, wie die offizielle Bezeichnung für die Kolonialtruppe lautete, die Bedingungen eines Genozids erfüllte.[3] Stattdessen kam es im Jahre 2021 zu einem Aussöhnungsabkommen zwischen der deutschen Bundesregierung und der Regierung Namibias, dessen zentraler Inhalt die Einigung über den beidseitigen Umgang mit der gemeinsamen Vergangenheit darstellt und in deren Folge die deutsche Regierung die Ereignisse nunmehr „ohne Schonung und Beschönigung“ als Völkermord bezeichnen will.[4] Was aber wussten die Bewohner des Deutschen Kaiserreichs, z.B. in der Paderborner Provinz, von den Vorkommnissen auf dem afrikanischen Kontinent? Welche Position nahm die Presse dem Krieg gegenüber ein?

Das Westfälische Volksblatt dominierte die Paderborner Presselandschaft

Das  „Westfälische Volksblatt“ (WV) versorgte seit 1849 die Paderborner Bevölkerung mit Informationen, zunächst als wöchentliche Beilage zum ein Jahr zuvor gegründeten „Westfälischen Kirchenblatt für Katholiken“.[5] Das dezidiert katholische Blatt wurde redaktionell geleitet von Joseph Honcamp, einem Zögling des Verlagsgründers Ferdinand Schönigh, und erschien in den 1890er Jahren bis zu dreimal täglich. Es propagierte die Politik der Zentrumspartei, die als eine der größten Parteien des Kaiserreichs den politischen Katholizismus vertrat.[6] Wie berichtete das katholische Blatt über die Ereignisse fernab in der südwestafrikanischen Kolonie?

Ausbruch des Aufstands – Deutschland ‚trifft auch Schuld‘

Bereits vor Beginn des Aufstandes der Herero unter Samuel Maharero im Januar 1904 gab es im Süden der Kolonie Unruhen, die von den dort ansässigen Bondelswart-Nama ausgingen, doch relativ schnell von der Schutztruppe unter Kontrolle gebracht wurden. Schon damals berichtete das WV von den Kämpfen. Am 13. November 1903 erschien ein großer Artikel auf der Titelseite des Zweiten Blattes, mit einer Karte, auf der die Siedlungsgebiete der in der Kolonie beheimaten Volksstämmen dargestellt waren. Es bestand also ein reges Interesse an den Vorkommnissen in der Kolonie. Die Tendenz der Berichterstattung wurde schon zu Beginn klar: Es sei wichtig, „Eigentum und Leben unserer Kolonisten gegen die räuberischen Eingeborenen zu schützen“.[7] Offenbar seien die „Einwohner dieser unserer Kolonie doch noch nicht ohne weiteres deutschtreue Untertanen geworden“.[8] Auf der Karte waren deutlich die großen Siedlungsgebiete der Herero im Zentrum des Landes und der Nama im Süden zu sehen. Nach Gründen für den Aufstand wurde sehr wohl gefragt, wobei die Redaktion die Informationslage als eher dürftig empfand. Man sei zumeist auf englische Quellen angewiesen und werde die weitere Entwicklung kritisch im Auge behalten.

Der Beginn des Völkermords – Der lange nicht thematisierte Vernichtungsbefehl

In der Tat enthielt die Berichterstattung durchaus Kritik: in verdächtig häufigen Fällen hätten „deutsche Kolonisatoren schwer über die Stränge gehauen […], sich schwer an der eingeborenen Bevölkerung versündigt“[9], merkte das Blatt bereits im März 1904 an. Allerdings wurde der für den folgenden Völkermord entscheidende Vernichtungsbefehl des Generals Lothar von Trotha vom 2. Oktober 1904 erst ein dreiviertel Jahr später, am 17. August 1905, im WV thematisiert. Bis dahin bestand der Großteil der Berichtserstattung im WV aus kurzen Meldungen über Truppenbewegungen, Gefechte und die regelmäßige Übermittlung der Namen von gefallenen Soldaten. Einen persönlicheren Eindruck bekamen die Leser vor allem durch im WV erwähnte oder sogar im Wortlaut abgedruckte Briefe, die von Soldaten oder auch Siedlern direkt aus der Kolonie in die Heimat geschickt wurden. In der Ausgabe vom 20.12.1904 wird zum Bespiel von „zahlreichen Briefen“ geschrieben, die allesamt über „traurige Zustände“ in der Kolonie berichteten. Dabei ging es um die schlechte Ausstattung mit „Klamotten“, welche monatelang getragen werden mussten, immer kleiner werdende Essensrationen und den Kampf mit Frost während der Nächte unter freiem Himmel sowie „Hitze von 50 bis 60 Grad“ am Tag.

Die Nachrichtenlage schien sich dabei für die Redaktion eher noch zu verschlechtern: Heimkehrende Offiziere hätten Befehl erhalten, „keine Nachrichten über die Kriegslage zu veröffentlichen“[10]. Am 21. Mai 1905 konnte man immerhin eine Bekanntmachung des Generals v. Trotha an die Namaquastämme abdrucken, die über die britische Kolonie Südafrika der englischen Times zugetragen worden war und von dort den Weg nach Deutschland gefunden hatte. Der Abdruck erfolgte jedoch kommentarlos. In dieser Proklamation war von der Ausrottung aller Rebellen die Rede und der Erschießung derjenigen Aufständischen, die auf „deutschem Gebiet“ blieben.

Erst bei der nachträglichen Veröffentlichung des Vernichtungsbefehls von Trothas am 17. August 1905, die im Wortlaut abgedruckt wurde, brachte das WV eine kritische Kommentierung der Ereignisse in Südwestafrika. Dieser Befehl wurde dabei bereits im Dezember 1904 auf direkten Befehl Kaiser Wilhelms II.[11] und im Januar 1905 durch den Reichskanzler Bernhard von Bülow[12] zurückgenommen, ohne dass es bis dahin großen Aufruhr in der Presse gegeben zu haben scheint. Die in dem Text zu Tage tretende Ausrottungspolitik, so das WV, sei keine Überraschung, sondern aus Briefen von Soldaten bereits bekannt gewesen. Angesichts der Abhängigkeit der Kolonisatoren von den indigenen Arbeitskräften wurde das Vorgehen deutlich kritisiert – eine vor allem ökonomisch argumentierende Kritik, bei der christliche Nächstenliebe keine Rolle spielte. Dann holte der Text zum Rundumschlag aus, indem er ganz grundsätzlich nach dem Sinn der Kolonialpolitik fragte, die in der Bevölkerung wenig Unterstützung erfahre. 400 Millionen Mark hätten die Kämpfe bereits gekostet. Zudem sei Trothas Kriegsführung „der einer zivilisierten Nation“[13] nicht würdig und werfe ein sehr schlechtes Licht auf die deutsche Schutztruppe, die doch ursprünglich, so kann man interpretieren, den „Wilden“ Zivilisation und Kultur bringen sollten.

Abberufung des General von Trotha – eine Notwendigkeit, die lange brauchte

Das WV berichtete zwar erst knapp ein Dreiviertel Jahr nach Verkündigung über Trothas Vernichtungsbefehl, sie war damit jedoch nicht alleine. Explizit Erwähnung findet die Proklamation in der deutschen Presse voher anscheinend nicht. In einigen Zeitungen werden jedoch Andeutungen gemacht, die den Verdacht nahe legen, dass sie mehr Informationen zur Hand hatten und unter anderem deshalb eine kritischere Betrachtung der Kriegsführung an den Tag legten.

Die in Berlin ansässige Norddeutsche Allgemeine Zeitung (NAZ), ein Sprachrohr der Konservativen Partei[14], schrieb schon in der Ausgabe vom 25.11.1904 von der Strategieänderung des Generals, er habe nun beschlossen, „die Herero nicht aus dem Sandfeld herauszulassen und sie in diesem der Vernichtung preiszugeben“[15]. Gewollt oder ungewollt hatte die NAZ somit zwar den im Gange befindlichen Völkermord angedeutet, ihn jedoch nicht weiter thematisiert. Auch scheinen kaum Reaktionen der sonstigen deutschen Presse auf diesen Artikel der NAZ gefolgt zu sein. Nur die „Vorwärts“, die als Parteizeitung der Sozialdemokraten der zeitgenössischen Parteilinie folgend eher kritisch gegenüber der deutschen Kolonialpolitik eingestellt war, sah in den offiziellen Berichten Beweise für eine regelrechte „Menschenjagd“ nach Vorbild der Niederschlagung des sogenannten Boxeraufstandes in China im Jahre 1900 und benannte dies bereits im November 1904.[16] Ebenso erwähnte die „Vorwärts“ bereits im Oktober 1904, also in unmittelbarer Folge des Vernichtungsbefehls, dass der General von Trotha das Veröffentlichen von Informationen über den Feldzug unter Strafe gestellt habe.[17] Dies fand im WV bekanntlich erst im Mai des Folgejahres Erwähnung.

Nachdem seine Proklamation in der breiten deutschen Öffentlichkeit bekannt geworden war, geriet General v. Trotha unter zunehmenden Druck. Auch in der Ausgabe des WV vom 20. August 1905 wurde ihm vorgeworfen, er richte die Kolonie zu Grunde. Seine Abberufung sei nur eine Frage der Zeit. Milde gegenüber den Aufständischen als notwendigen Arbeitskräften sei dringend geboten. Am 14. September 1905 machte das Blatt zudem deutlich, dass die Kolonialpolitik in Südwestafrika von der Zentrumspartei lediglich mitgetragen worden sei, um die Eingeborenen zu Christen zu machen. Ihre Ausrottung sei deshalb auf keinen Fall zu billigen [Bild 4: Ausgabe vom 14.09.1905]. Nachdem der bisherige Gouverneur Theodor Leutwein aufgrund seiner Meinungsverschiedenheiten mit General von Trotha bereits im November 1904 sein Amt hatte niederlegen müssen, trat mit Friedrich von Lindequist ein Jahr später ein erfahrener Nachfolger an. Dieser stellte jedoch eine einzige Bedingung für seinen Amtsantritt: Neben der Tätigkeit des Gouverneur wollte er ebenso das Amt des Befehlshabers der Schutztruppe erhalten, welches bis dato General von Trotha inne gehabt hatte. Man gab seiner Forderung statt, sodass im November 1905 der in Ungnade gefallene General von Trotha seines Amtes enthoben wurde. Er musste ins Deutsche Reich zurückreisen.[18]

Mal mehr, mal weniger kritisch – das ambivalente Westfälische Volksblatt

Das Westfälische Volksblatt bewertete die Vorkommnisse in Deutsch-Südwestafrika also durchaus zwiespältig. Einerseits kritisierte es schon zu Beginn des Aufstandes die deutsche Kolonialpolitik, mahnte Fehler auf deutscher Seite an und stellte den Kolonialbesitz grundsätzlich in Frage. General v. Trotha als Verantwortlicher wurde andererseits erst dann explizit kritisiert, als sein politisches Ende bereits absehbar war – obgleich das Blatt für sich in Anspruch nahm, durch private Briefe schon viel früher informiert gewesen zu sein. Im Vordergrund seiner Argumentation stand der Erhalt der kolonialen Landwirtschaft und Ökonomie, teilweise auch die Sorge um eine mögliche Beschädigung des deutschen Ansehens in der Welt sowie einen Verlust von zu bekehrenden Seelen im Sinne der Mission. Um das Leben der Menschen im heutigen Namibia um ihrer selbst willen ging es dem WV nicht.

Mit seiner Berichtserstattung lag das WV im klassischen konservativen Lager, das zu Beginn noch für die bedingungslose Niederschlagung des Aufstandes argumentierte, mit der Zeit jedoch die Kritik an der Kolonialpolitik steigerte und Fehler auf deutscher Seite ansprach. Andere Zeitungen wie das sozialdemokratische „Vorwärts“ sparten noch weniger mit Kritik. Selbst die regierungsnahe NAZ agierte kritischer als das WV, welches zwar die NAZ häufig in ihren Artikeln zitierte, sich dabei aber anfangs anscheinend auf die eher unkritischen Berichte beschränkte, in denen eine klare Abgrenzung von Tätern (Herero und Nama) und Opfern (deutsche Siedler) stattfand. Tiefergehende Kritik an den öffentlich kommunizierten Gründen für den Ausbruch des Hereroaufstandes und der folgenden Kriegspolitik erschien im WV somit vorzugsweise ab dem Moment, in dem die Missstände bereits zu großen Teilen offenkundig waren und von Teilen der Presse bereits behandelt worden waren.


[1] Bundestagspräsident Lammert nennt Massaker an Herero Völkermord, in: Die Zeit, 08.07.2015, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-07/herero-nama-voelkermord-deutschland-norbert-lammert-joachim-gauck-kolonialzeit (zuletzt abgerufen am 29.09.2023).

[2] Völkermord an Herero und Nama: Abkommen zwischen Deutschland und Namibia, in: kurz&knapp, Bundeszentraler für politische Bildung, 22.06.2021, https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/335257/voelkermord-an-herero-und-nama-abkommen-zwischen-deutschland-und-namibia (zuletzt aberufen am 29.09.2023).

[3] Schlüter, Jan-Philippe; Habermalz, Christiane: Verbrechen an den Hereros und den Namas. Ringen um die Anerkennung der deutschen Schuld, in: Deutschlandfunk Kultur, 20.12.2017, https://www.deutschlandfunkkultur.de/verbrechen-an-den-hereros-und-den-namas-ringen-um-die-100.html (zuletzt abgerufen am 29.09.2023).

[4] Deutschland erkennt Kolonialverbrechen als Völkermord an, in: Die Zeit, 28.05.2021, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-05/kolonialismus-deutschland-namibia-voelkermord-herero-nama-anerkennung (zuletzt abgerufen am 29.09.2023).

[5] Grabe, Wilhelm: Westfälisches Volksblatt, Paderborn 2019, https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/titleinfo/6898109 (zuletzt abgerufen am 29.09.2023).

[6] Ebd.

[7] Westfälische Volksblatt, 13.11.1903.

[8] Ebd.

[9] Westfälische Volksblatt, 30.03.1904.

[10] Westfälisches Volksblatt, 19.05.1905.

[11] Brehl, Medardus: Vernichtung der Herero. Diskurse der Gewalt in der deutschen Kolonialliteratur, Leiden 2007, S. 98.

[12] Zimmerer, Jürgen: Trotha, Lothar von, in: Neue Deutsche Biographie. S. 455f, online verfügbar über: https://www.deutsche-biographie.de/sfz134051.html#ndbcontent (zuletzt abgerufen am 29.09.2023).

[13] Westfälisches Volksblatt, 17.08.1905.

[14] Fischer, Heinz-Dietrich: Deutsche Allgemeine Zeitung, Berlin (1861 – 1945), in: Fischer, Heinz-Dietrich (Hg.): Deutsche Zeitungen des 17. bis 20. Jahrhunderts, München 1972, S. 273.

[15] Rolka, Michael: Der Hereroaufstand in der zeitgenössischen deutschen Presse, Duisburg-Essen 2012, S. 95.

[16] Ebd. S. 93

[17] Ebd. S. 93.

[18] Nuhn, Walter: Sturm über Südwest: der Hereroaufstand von 1904 : ein düsteres Kapitel der deutschen kolonialen Vergangenheit Namibias, Michigan 1989, S. 309.